Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kompetenz des AG zum Ausspruch einer späteren Wirksamkeit familiengerichtlicher Entscheidungen entgegen § 40 Abs. 1 FamFG
Leitsatz (amtlich)
Das AG ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt, im Rahmen der Entscheidung in einer Kindschaftssache, die gem. § 40 Abs. 1 FamFG bereits bei Bekanntgabe wirksam wird, im Tenor einen abweichenden Zeitpunkt der Wirksamkeit (hier: mit Rechtskraft der Entscheidung) auszusprechen.
Erfolgt dennoch ein derartiger Ausspruch, kann das Beschwerdegericht dies im Wege einstweiliger Anordnung gem. § 64 Abs. 3 FamFG klarstellend korrigieren.
Normenkette
FamFG § 40 Abs. 1, § 64 Abs. 3, § 93
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 15.03.2013; Aktenzeichen 620 F 5428/11) |
Tenor
1. Der Kindesmutter wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt.
2. Im Wege einstweiliger Anordnung gem. § 64 Abs. 3 FamFG wird festgestellt, dass der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 15.3.2013 entgegen Nr. 4 des Entscheidungstenors gem. § 40 Abs. 1 FamFG nicht erst mit Rechtskraft des Beschlusses, sondern vielmehr seit 25.3.2013 wirksam ist.
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - Hannover hat im vorliegenden, im November 2011 eingeleiteten Verfahren mit Beschluss vom 15.3.2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.3.2013, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, beiden Kindeseltern gem. § 1666 BGB die elterliche Sorge für die betroffene Tochter entzogen und das örtliche Jugendamt zum Vormund bestimmt.
Dabei lautet Nr. 4 des Entscheidungstenors "Die Entscheidung wird mit Rechtskraft wirksam". In den Gründen hat das AG insofern ausgeführt: "Abweichend von § 40 FamGKG [gemeint ist: FamFG] wird angeordnet, dass der Beschluss erst mit Rechtskraft wirksam wird. Es soll vermieden werden, dass L. bei einer abweichenden Entscheidung durch das Beschwerdegericht mehrfach den Aufenthaltsort wechseln muss".
Gegen diese, ihr am 22.3.2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 19.4.2013 beim AG eingelegte und sogleich abschließend begründete Beschwerde der Kindesmutter, die eine "Aufhebung" der amtsgerichtlichen Entscheidung und Übertragung der elterlichen Sorge für L. allein auf sich begehrt. Zugleich hat sie - ohne Vorlage jeglicher entsprechender Unterlagen - für das Beschwerdeverfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht, die Beschwerde aber ausdrücklich nicht von deren Bewilligung abhängig gemacht.
Auch der Kindesvater hat seinerseits gegen den - ihm am 25.3.2013 zugestellten - Beschluss vom 15.3.2013 mit am 23.4.2013 beim AG eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, die sich nach zwischenzeitlicher Mitteilung seiner Verfahrensbevollmächtigten gegen die Entziehung der elterlichen Sorge gegenüber dem Kindesvater richtet und kurzfristig begründet werden wird.
Der Senat wird - im Hinblick auf die Beschwerde des Kindesvaters - eine Anhörung der Beteiligten durchführen und dabei auch den vom AG bestellten Sachverständigen ergänzend befragen. Eine entsprechende Ladungsverfügung durch den Senatsvorsitzenden ergeht parallel.
II. Der Kindesmutter kann die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) nicht bewilligt werden, da ihre Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg aufweist. Bereits auf der Grundlage der vom AG verfahrensfehlerfrei und erschöpfend durchgeführten umfassenden Ermittlungen sowie der insofern aus Sicht des Senates uneingeschränkt tragenden sachverständigen Feststellungen, zu denen der anwaltlich vertretenen Kindesmutter erstinstanzlich Gelegenheit zur persönlichen Befragung des Sachverständigen gegeben worden ist, steht eine Entziehung der elterlichen Sorge hinsichtlich der Kindesmutter gem. §§ 1666, 1666a BGB nicht ernstlich in Frage. Insofern dürfte eine allein von der Kindesmutter eingelegte Beschwerde gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG unmittelbar zurückzuweisen sein. Eine Beteiligung der Kindesmutter am vorliegenden Verfahren stellt zudem auch bezüglich der Beschwerde des Kindesvaters keine Verteidigung der Entscheidung des AG dar, so dass es sich auch nicht etwa um "notwendige VKH" handelt, die ohne gesonderte Prüfung der Erfolgsaussicht zu bewilligen wäre. Insofern kommt es auf die Frage der wirtschaftlichen Voraussetzungen (die durch die vorliegende erstinstanzliche Erklärung der Kindesmutter allerdings inhaltlich offenkundig nicht dargelegt sind) nicht weiter an.
III.1. Soweit das AG - nach der Begründung ausdrücklich entgegen § 40 Abs. 1 FamFG - als Nr. 4 tenoriert hat, die erstinstanzliche Entscheidung werde erst "mit Rechtskraft wirksam", fehlt dem offenkundig jegliche rechtliche Grundlage.
a. § 40 Abs. 1 FamFG bestimmt für einen Beschluss der vorliegenden Art ausdrücklich, dass seine Wirksamkeit mit seiner Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist, eintritt. Danach ist der amtsgerichtliche Beschluss angesichts der bis zum 25.3.2013 erfolgten Zustellungen an alle maßgeblichen Beteiligten mi...