Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Ahndung von Verstößen, die vor Zustellung der Belehrung nach § 89 Abs. FamFG begangen worden sind, mit Ordnungsmittel
Leitsatz (amtlich)
Die Vollstreckung eines Titels zur Regelung des Umgangs richtet sich nach § 89 FamFG und setzt gemäß Absatz 2 die Belehrung über die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Ohne diese Belehrung darf nicht vollstreckt werden. Verstöße, die vor Zustellung der Belehrung begangen worden sind, können nicht geahndet werden. Dies gilt auch, wenn die Belehrung - wie vorliegend - nicht im Billigungsbeschluss enthalten, sondern nachgeholt worden ist.
Normenkette
FamFG § 89 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 637 F 1879/23) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Ordnungsmittelbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 15. September 2023 aufgehoben und der Ordnungsmittelantrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben: außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Zu entscheiden ist über die Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen Verstoßes gegen einen gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich.
Die beteiligten Kindeseltern haben im erstinstanzlichen Anhörungstermin am 2. Juni 2023 vereinbart, dass zwischen dem Kindesvater (Antragsteller) und seiner jetzt 12-jährigenTochter N. bis einschließlich 31. August 2023 weder Umgang noch sonstige Kontakte stattfinden. Die Vereinbarung wurde anschließend familiengerichtlich gebilligt. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf das erstinstanzliche Anhörungsprotokoll vom 2. Juni 2023.
Durch Beschluss vom 8. August 2023, auf den verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Beteiligten erstmalig darauf hingewiesen, dass das Gericht bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus dem Umgangsvergleich ergebenden Verpflichtungen gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht, unmittelbar Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann.
Durch Beschluss vom 15. September 2023, auf den der Senat Bezug nimmt, hat das Amtsgericht gegen den Kindesvater auf anwaltlichen Antrag der Kindesmutter (Antragsgegnerin) vom 29. August 2023 wegen Verstoßes gegen den Umgangsvergleich vom 2. Juni 2023 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR, ersatzweise je 100 EUR einen Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Zur Begründung hat das Amtsgericht entsprechend der Antragsschrift ausgeführt, der Kindesvater habe im Briefkasten der Kindesmutter einen Brief und einen Leuchtstern aus Papier hinterlassen. Den Leuchtstern habe der Kindesvater - an das betroffene Kind gerichtet - wie folgt beschriftet und bekritzelt:
Seite 1:
Erstens kommt es anders u. 2. als Mann denkt
Deine Mutter ist leider nicht wirklich geistig anwesend. [Daneben befinden sich ein Herz und ein schwarzes Kreuz.]
P.S.: Vergiss die Alte. Die tickt nicht ganz sauber...
Ich werde immer auf Dich warten.
P.S.: Habe Dir ein riesengroßes Aquarium gekauft. Bitt komm vorbei!
Seite 2:
Für meine geliebte Tochter (Herz) N.
Von Papa
Dieses Sternchen wird immer Dich leuchten (Smiley)
Gegen diese Entscheidung hat der Kindesvater form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht durch Beschluss vom 20. Oktober 2023, auf den verwiesen wird, nicht abgeholfen hat.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
In Bezug auf die in der angefochtenen Entscheidung beschriebene Zuwiderhandlung liegen die formalen Voraussetzungen für die Anordnung von Ordnungsmitteln nicht vor.
Die Vollstreckung eines Titels zur Regelung des Umgangs richtet sich nach § 89 FamFG und setzt gemäß Absatz 2 die Belehrung über die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Ohne diese Belehrung darf nicht vollstreckt werden. Verstöße, die vor Zustellung der Belehrung begangen worden sind, können nicht geahndet werden. Dies gilt auch, wenn die Belehrung - wie vorliegend - nicht im Billigungsbeschluss enthalten, sondern nachgeholt worden ist (vgl. Sternal/Giers, FamFG, 21. Aufl., § 89 Rn. 15 m. w. N.).
Der "Leuchtstern-Vorfall", dessen Datum weder im anwaltlichen Ordnungsmittelantrag vom 29. August 2023 noch in der angefochtenen Entscheidung genannt ist, hat sich bereits am 17. Juli 2023 ereignet. Dies hat die Kindesmutter in ihrem selbst verfassten Schreiben vom 20. Juli 2023 vorgetragen (Bl. 49, 55ff d. Hauptakte). Der Verstoß liegt damit vor der Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG, die erst durch Beschluss vom 8. August 2023 erfolgt ist. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln kommt daher insoweit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG.
Fundstellen