Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwand der fehlenden Fälligkeit der Abwicklervergütung nach Beendigung der Abwicklung im Bürgenregress
Leitsatz (amtlich)
1. Sind Vorschussansprüche des Abwicklers einer Kanzlei im Wege des Forderungsübergangs auf die als Bürgin haftende Rechtsanwaltskammer übergegangen, ist zu überlegen, ob der ausgeschiedene Rechtsanwalt im Regressprozess der Rechtsanwaltskammer nach Beendigung der Abwicklung bis zur Erstellung einer Schlussabrechnung die fehlende Fälligkeit der Abwicklervergütung entgegenhalten kann.
2. Im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es zu dieser Frage wegen der mit ihr verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten keiner Entscheidung, da andernfalls das Hauptsacheverfahren in das summarische Prozesskostenverfahren verlagert würde.
Normenkette
BGB §§ 404, 774; BRAO § 55 Abs. 3 Fassung: 2021-07-31, § 53 Abs. 10; ZPO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 23.07.2021; Aktenzeichen 4 O 7/21) |
Tenor
Der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. Juli 2021 wird auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 3. September 2021 abgeändert und dem Beklagten Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt.
Ihm wird Rechtsanwalt M. in H. zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.
Gründe
I. Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen eine Klage auf Rückzahlung von Abwicklervergütung nach gesetzlichem Forderungsübergang.
Der Beklagte war zugelassener Rechtsanwalt und Mitglied der Klägerin. Mit Schreiben vom 09. November 2017 verzichtete der Beklagte auf die Zulassung.
Da zu diesem Zeitpunkt die von dem Beklagten bearbeiteten Mandate noch nicht vollständig abgeschlossen waren, wurde am 30. November 2017 durch die Klägerin im Einvernehmen mit dem Beklagten Rechtsanwalt G.-G. K. aus H. zunächst bis zum 30. Mai 2018 als Abwickler bestellt (Anl. K 2, gesondert geheftet).
In der Folge wurde die Abwicklung mehrfach verlängert (Anl. K 3 - K 5, gesondert geheftet), bis sie letztendlich zum 30. November 2019 abgeschlossen wurde.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2018 (Anl. K 8, gesondert geheftet) setzte die Klägerin auf Antrag des Abwicklers vom 02. Januar 2018 (Anl. K 7, gesondert geheftet) die Vergütung für die Abwicklung der Kanzlei des Beklagten für die Zeit vom 28. November 2017 bis zum 31. Dezember 2017 vorläufig auf 4.352 EUR netto, mithin 5.178 EUR brutto, fest, nachdem sich der Beklagte und der Abwickler nicht auf eine Vergütung hatten einigen können.
Mit weiteren Bescheiden zwischen dem 07. Februar 2018 und dem 20 November 2019 setzte die Klägerin auf die jeweiligen Anträge des Abwicklers die Vergütung für die Folgezeiten wiederum vorläufig fest. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Bescheide (Anl. K 10, K 12, K 14, K 18 - K 29, B 1 gesondert geheftet), Bezug genommen.
Den Vergütungsfestsetzungen lag jeweils der Grundsatzbeschluss des Präsidiums der Klägerin vom 20. Januar 2016 zugrunde, wonach sich die festzusetzende Abwicklervergütung auf 40 EUR netto je Stunde, begrenzt auf 2.900 EUR netto im Monat, beläuft. Hierbei handelt es sich um das hälftige monatliche Einkommen junger Rechtsanwälte im Bezirk der Klägerin.
Die Klägerin verauslagte die Abwicklerkosten, soweit vom Abwickler erzielte Erlöse nicht zur Deckung der Kosten ausreichten, in Höhe von insgesamt 8.627,57 EUR brutto. Auf die Aufstellung auf S. 3 der Klagschrift vom 10. Januar 2021 (Bl. 12 d. A.) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10. September 2020 (Anl. K 15, gesondert geheftet) forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung der verauslagten Abwicklervergütung auf, woraufhin der Beklagte die Forderung mit Schreiben vom 11. September 2020 (Anl. K 16) dem Grunde nach anerkannte.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.327,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, der Abwickler habe für ein Mandat G.-A. gegen A. im zivilgerichtlichen Verfahren Gebührenansprüche in Höhe von 5.657,79 EUR brutto und im sozialgerichtlichen Verfahren Gebührenansprüche von 714 EUR brutto vereinnahmt bzw. vereinnahmen können. Für ein Mandat H. gegen V. Versicherungen habe der Abwickler aus einer zivilgerichtlichen Tätigkeit 4.383,90 EUR brutto vereinnahmt bzw. vereinnahmen können. Ebenso habe der Abwickler aus einem Berufungsverfahren der Mandantin U. jedenfalls die Verfahrensgebühr in Höhe von 3.047,35 EUR vereinnahmt bzw. vereinnahmen können. Am 12. November 2019 habe das für die Abwicklung eingerichtete Treuhandkonto ein Guthaben in Höhe von 3.457,58 EUR ausgewiesen.
Durch Beschluss vom 23. Juli 2021 (Bl. 78a ff. d. A.) hat das Landgericht Hannover den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einwendungen des Beklagten gegen die schlüssig vorgetragenen Ansprüche der Klägerin seien unerheblich.
Sow...