Leitsatz (amtlich)
Ergeben sich aus einem Schreiben des Mitarbeiters einer insolventen Gesellschaft unübersehbare Hinweise auf das Vorliegen einer gewerblichen Firmenbestattung, so ist ein gleichwohl erfolgter Verweisungsbeschluss an das Wohnsitzgericht des Bestatters für dieses Gericht nicht bindend.
Normenkette
InsO § 3; ZPO §§ 26, 281
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 906 IN 153/06-4) |
AG Potsdam (Aktenzeichen 35 IN 325/06) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das AG - Insolvenzgericht - Hannover.
Gründe
I. Die Schuldnerin hat ihren Sitz in Hannover. Sie ist dort unter HRB Nr. ... eingetragen. Sie wurde zur Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung von einem Geschäftsführer U.D. vertreten, dessen Anschrift ... lautet. D. ist in einer Urkunde des Notars G.S. in B. (UR.-Nr. ...) am 12.1.2006 zum neuen Geschäftsführer bestellt worden. Die letzte Eintragung im HRB ist am 7.2.2005 erfolgt, als Geschäftsführer eingetragen war zu diesem Zeitpunkt noch jemand namens J.B., dem in der Urkunde vom 12.1.2006 Entlastung erteilt worden ist. Nach den Ausführungen des Geschäftsführers D. im Insolvenzantrag vom 7.2.2006 hat die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Die Geschäftsunterlagen sollten sich zu dieser Zeit zum Teil am Wohnsitz des Geschäftsführers in G. befinden, der im Zuständigkeitsbereich des AG Potsdam liegt. Teilweise will der Geschäftsführer die Unterlagen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wohl der J. GmbH in B. überlassen haben, die angeblich prüfen sollte, ob eine Umstrukturierung der Gesellschaft in Betracht kam.
Der Geschäftsführer D. der Schuldnerin hat mit Schriftsatz vom 7.2.2006, eingegangen beim AG Hannover am 8.2.2006, beantragt, das Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Zugleich hat er den Antrag gestellt, das Verfahren an das für seinen Wohnsitz zuständige Insolvenzgericht in Potsdam zu verweisen, weil eine Geschäftstätigkeit am Sitz der Gesellschaft in Hannover nicht mehr entfaltet werde und in G. alle maßgeblichen Entscheidungen getroffen würden und eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet werde. Das Insolvenzverfahren sei aufgrund der Verbringung der Geschäftsunterlagen in den B. Raum in P. abzuwickeln. Dort würden noch eine Reihe von Abwicklungstätigkeiten, wie die Sichtung und Bearbeitung der Post, die Prüfung von Gewährleistungsansprüchen usw., die Erstellung von Umsatzvoranmeldungen usw. entfaltet. Ob mit der Durchführung dieser Abwicklungstätigkeiten die "Wirtschaftsberatungsgesellschaft" in B. beauftragt worden ist, oder der Geschäftsführer D. selbst diese Tätigkeiten ausführen will, ist dem Antrag nicht eindeutig zu entnehmen, jedenfalls soll in G. die Erreichbarkeit der Schuldnerin im Rahmen des Insolvenzverfahrens jederzeit gesichert sein.
Aus einem Schreiben einer früheren Mitarbeiterin der Schuldnerin vom 21.2.2006 an das Insolvenzgericht Hannover ergibt sich, dass seit der Schließung des Büros der Schuldnerin in H., ... bei der Schuldnerin niemand mehr zu fassen ist. Der frühere Geschäftsführer B. sei unerreichbar, der neue Geschäftsführer D. permanent in Urlaub und bei der J. GmbH erkläre man, über Telefonnummer usw. des Geschäftsführers D. keine Auskunft erteilen zu dürfen.
Trotz dieser unübersehbaren Anzeichen für eine gewerbliche Firmenbestattung die Beteiligten sind dem Senat insoweit auch aus früheren, gleichgelagerten Zuständigkeitsbestimmungsverfahren bekannt - hat sich das AG Hannover - Insolvenzgericht - im Hinblick auf die Angaben des Antrag stellenden Geschäftsführers der Schuldnerin mit Beschluss vom 31.3.2006 ohne weitere Ermittlungen für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das für dessen Wohnsitz zuständige AG Potsdam verwiesen, zumal sich auch aus den Ausführungen der früheren Mitarbeiterin der Schuldnerin in dem Scheiben vom 21.2.2002 ergebe, dass die Fortführungsbemühungen allesamt im Gerichtsbezirk des AG Potsdam stattfänden.
Das AG Potsdam hat daraufhin nach Eingang der Sache zunächst ein Gutachten des Sachverständigen R. eingeholt, in dem dieser zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es am Wohnsitz des "amtsbekannten" neuen Geschäftsführers D. der Schuldnerin, der regelmäßig bei wirtschaftlich völlig ausgehöhlten Gesellschaften zum Geschäftsführer bestellt wird, niemals irgendwelche Aktivitäten zur Fortführung der Gesellschaft gegeben hat. Vielmehr seien die Geschäftsunterlagen inzwischen an eine auf M. ansässige Gesellschaft übergangen, die ebenfalls im Rahmen der gewerblichen Firmenbestattung auftrete. Zum Geschäftsführer sei der einschlägig bekannte K. T. bestellt worden. Eine Zuständigkeit des AG Potsdam sei nicht zu erkennen.
Mit Beschluss vom 5.7.2006 hat daraufhin auch das AG Potsdam seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Sache zur Gerichtsstandsbestimmung nach § 4 InsO i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG Celle vorgelegt. Zur Begründung hat das AG Potsdam ausgeführt, eine örtliche Zuständigkeit des AG Potsdam sei nicht gegeben. Der Sitz der Schuldnerin liege nicht im Zuständigkeitsbereich des ...