Leitsatz (amtlich)
Erwägt die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Reststrafenvollstreckung aus einer Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art, ist in der Regel zumindest dann vorab ein Sachverständigengutachten über die Gefährlichkeit des Verurteilten einzuholen, wenn der Vollstreckungsleiter die weitere Vollstreckung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben hat (entgegen OLG Frankfurt/Main, NStZ-RR 1999, 91).
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung an dieselbe Kammer des Landgerichts H. zurückverwiesen.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Das Landgericht - Jugendkammer - M. verhängte gegen den Verurteilten durch Urteil vom 3. November 2004 wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der Vollstreckungsleiter gab durch Beschluss vom 25. Januar 2005 die Vollstreckung der Jugendstrafe an die Staatsanwaltschaft B. ab. Diese verbüßt der Verurteilte im Anschluss an die Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen seit dem 12. September 2005. 2/3 der Strafzeit waren am 26. November 2007 verstrichen. Das Strafzeitende ist für den 26. Februar 2009 vorgesehen. Mit Beschluss vom 23. Oktober 2007 ordnete die Kammer die Aussetzung der Reststrafenvollstreckung zum 27. November 2007 an. Der Senat hat auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft M. den Beschluss am 29. November 2007 aufgehoben und die weitere Vollstreckung der Strafe angeordnet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer am 18. März 2008 erneut die weitere Vollstreckung ausgesetzt und eine Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug zum 31. Mai 2008 bestimmt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 454 Abs. 3, 311 Abs. 2 StPO) und begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse kommt eine vorzeitige Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug gegenwärtig nicht in Betracht. Der Beschluss leidet an einem erheblichen Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Kammer führt.
Gemäß § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO hätte die Kammer für den Fall, dass sie die vorzeitige Entlassung des Verurteilten erwägt, das Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage, ob von dem Verurteilten noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, einholen müssen. Der Verurteilte wurde wegen eines Verbrechens (§§ 227, 12 Abs. 1 StGB) zu einer zeitigen Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt, die er nach den Regeln des Erwachsenenvollzugs verbüßt. Soweit das OLG Frankfurt/Main (NStZ-RR 99, 91) die Vorschrift des § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO bei verhängter Jugendstrafe und Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft für nicht anwendbar hält, folgt dem der Senat nicht. Der Wortlaut des § 85 Abs. 6 Satz 2 JGG sieht im Fall der Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft die Anwendung der Vollstreckungsregelungen der StPO ohne Einschränkung vor. Der vom OLG Frankfurt/Main zur Begründung herangezogene Grundsatz der besonderen Beschleunigung im Jugendstrafverfahrensrecht reicht nach Auffassung des Senats als Anlass für eine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts nicht aus. Denn wenn sich Vollzug und Vollstreckung von Jugendstrafe gemäß §§ 85 Abs. 6, 92 Abs. 2 JGG (nur noch) nach den für Erwachsene geltenden Regelungen des StVollzG und der StPO richten, kann dem nur im Jugendstrafrecht geltenden besonderen Beschleunigungsgrundsatz nicht mehr die entscheidende Bedeutung beigemessen werden, die er im Fall des Vollzugs und der Vollstreckung von Jugendstrafe nach den allgemeinen Regelungen des JGG hätte. Einer wie vom OLG Frankfurt/Main geforderten entsprechenden Klarstellung durch den Gesetzgeber bei der Einführung des § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 bedurfte es wegen des eindeutigen Wortlauts des § 85 Abs. 6 JGG nicht.
Die Kammer konnte vor Erlass einer die Aussetzung anordnenden Entscheidung auch nicht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen. Angesichts der kriminellen Laufbahn des Verurteilten, der bereits geraume Zeit seines noch jungen Lebens in Haft verbracht hat, einer unaufgearbeiteten Alkoholproblematik, einer zur Bagatellisierung neigenden Einstellung des Verurteilten zu seiner Tat und einer ungewissen beruflichen wie auch privaten Perspektive kann nicht ausgeschlossen werden, dass von dem Verurteilten noch Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Der Senat verkennt nicht, dass seit seiner Entscheidung vom 29. November 2007 durchaus positive Tendenzen festzustellen sind, die bei einer Gesamtwürdigung die Aussetzung der Reststrafenvollstreckung rechtfertigen könnten. Mit der Aufnahme ps...