Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelbelehrung bei nicht anwaltlich vertretenem Beteiligten eines Sorge- oder Umgangsrechtsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Zumindest der anwaltlich nicht vertretene Beteiligte eines Sorge- oder Umgangsrechtsverfahrens ist über die Formalien des zulässigen Rechtsmittels zu belehren.
Normenkette
ZPO §§ 233, 621e
Verfahrensgang
AG Winsen/Luhe (Beschluss vom 09.11.2007; Aktenzeichen 4 F 691/07) |
Gründe
Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Beschwerdefrist zu bewilligen, denn er war ohne sein Verschulden gehindert, die Beschwerdefrist zu wahren.
Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung eines Rechtsmittels einzuhalten, § 233 ZPO. Der Antragsteller war hier mangels hinreichender Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften gehindert, rechtzeitig und ordnungsgemäß das Rechtsmittel einzulegen. Insbesondere war ihm nicht bekannt, dass das Rechtsmittel gegen die abschließende Entscheidung des Familiengerichts beim OLG einzulegen ist.
Zwar ist nach derzeitigem Rechtsstand in den familiengerichtlichen Verfahren nicht gesetzlich vorgeschrieben, den Entscheidungen eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen. Jedoch ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) die Verpflichtung, in familienrechtlichen Verfahren zumindest die anwaltlich nicht vertretene Partei über die wesentlichen Formalien des zulässigen Rechtsmittels zu belehren (BVerfG NJW 1995, 3173. BGH, NJW 2002, 2171). In Familiensachen, insbesondere in dem hier vorliegenden Sorgerechtsverfahren, ist das Rechtsmittel kompliziert geregelt. Während für das Verfahren im Wesentlichen die Vorschriften des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit zur Anwendung kommen (§§ 35b ff. FGG), befinden sich die Vorschriften über die zulässigen Rechtsmittel in der Zivilprozessordnung, § 621e ZPO. § 621e ZPO ist durch die zahlreichen Verweisungen auf andere Vorschriften der Zivilprozessordnung schwer zu lesen und für einen nicht juristisch gebildeten Bürger kaum nachzuvollziehen. Dem Rechtssuchenden kann nicht zugemutet werden, sich über die komplizierte Regelung zu erkundigen (BGH, a.a.O., OLG Hamm FamRZ 2003, 1311).
Der Gesetzgeber wird auf das Verfassungsgebot, den Zugang zu den (Rechtsmittel) Gerichten nicht zu erschweren, reagieren. Nach Art. 1 § 39 des Entwurfs des FGG Reformgesetz (BR Drs 309/07) soll zukünftig jeder Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt werden.
Die fehlende Rechtsmittelbelehrung war auch ursächlich für das Fristversäumnis des Antragstellers. Wäre ihm bekannt gewesen, dass das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Familiengerichts beim OLG einzulegen war, hätte er sein Schreiben vom 13.12.2007 an das OLG adressiert. Bei normalen Postlaufzeiten kann davon ausgegangen werden, dass das Schreiben vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 17.12.2007 beim OLG Celle eingegangen wäre.
III. Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass er sein Rechtsmittel - wenn er es denn durchführen will - binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen hat. Sollte die Begründung nicht innerhalb dieser Frist beim OLG Celle eingegangen sein, muss der Antragsteller damit rechnen, dass sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 2022455 |
FamRZ 2008, 1362 |
OLGR-Nord 2008, 714 |