Entscheidungsstichwort (Thema)
Polizei- und Ordnungsrecht: Anordnung von Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung der Personalausweispflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung von Ersatzzwangshaft ist auch zur Durchsetzung einer höchstpersönlichen Verpflichtung in Form der Abgabe einer Willenserklärung - hier eines Antrags auf Erteilung eines Personalausweises - nicht von vornherein ausgeschlossen.
2. Bei einem auf mehrere Zwangsgeldfestsetzungen gestützten Antrag der Behörde ist die Dauer der Ersatzzwangshaft nicht gestaffelt nach Anzahl und Höhe der einzelnen Zwangsgelder, sondern einheitlich unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Durchsetzung der Grundverfügung und der persönlichen Interessen und Verhältnisse des Betroffenen zu bemessen.
Verfahrensgang
AG Hannover (Entscheidung vom 01.11.2016; Aktenzeichen 265 OWi 535/16) |
Tenor
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen den Betroffenen Ersatzzwangshaft von zwei Tagen angeordnet wird.
2. Die Kosten der Beschwerde werden dem Betroffenen auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden insoweit nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert wird auf 900,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Dem Betroffenen wurde mit Bescheid der beteiligten Stadt vom 15. Januar 2015, dem Betroffenen zugestellt am 17. Januar 2015, aufgegeben, seiner Pflicht aus § 1 Abs. 1 PAuswG nachzukommen und bis zum 15. Februar 2015 im Bürgerbüro der beteiligten Stadt einen neuen Personalausweis zu beantragen. Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung drohte ihm die Stadt ein Zwangsgeld in Höhe von 300 EUR an und wies auch darauf hin, dass im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes auf ihren Antrag das zuständige Amtsgericht Ersatzzwangshaft anordnen könne. Nachdem der Betroffene die Anordnung nicht befolgt hatte, setzte die Stadt mit Bescheid vom 5. Mai 2015 gegen ihn das Zwangsgeld in Höhe von 300 EUR fest, und drohte ihm für den Fall, dass er der Aufforderung auch künftig nicht nachkomme, ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 600 EUR an und wies auch diesmal darauf hin, dass im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes Ersatzzwangshaft angeordnet werden könne. Da der Betroffene auch weiterhin die Anordnung nicht befolgte, setzte die Stadt mit Bescheid vom 25. Juni 2015 gegen ihn das Zwangsgeld in Höhe von 600 EUR fest. Der Betroffene kam bislang weder der Anordnung zur Beantragung eines Personalausweises nach, noch leistete er Zahlungen.
Vollstreckungsversuche der Stadtkasse vom 17. Juli 2015, 20. August 2015, 13. Januar 2016 und 10. Februar 2016 verliefen erfolglos. Bereits unter dem 9. September 2014 hatte der Betroffene eine Vermögensauskunft abgegeben. Danach ist er arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld II, welches vom Jobcenter auf das Konto seiner Mutter überwiesen wird.
Auf Antrag der Stadt setzte das Amtsgericht Hannover - ohne vorherige schriftliche oder persönliche Anhörung des Betroffenen - mit Beschluss vom 1. November 2016 gegen den Betroffenen
"3 (zwei) Tage Ersatzzwangshaft
sowie weitere
6 (sechs) Tage Ersatzzwangshaft"
fest.
Gegen diesen - ihm am 4. November 2016 zugestellten - Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner Beschwerde, die am 18. November 2016 beim Amtsgericht Hannover eingegangen ist. Er trägt vor, dass er mittellos sei und die Kosten für Passfotos sowie die Gebühren für den Personalausweis nicht aufbringen könne.
Zu dem vom Senat auf den 5. April 2017 anberaumten Anhörungstermin ist der Betroffene trotz Ladung und Hinweises darauf, dass das Verfahren auch ohne seine persönliche Anhörung beendet werden könne, nicht erschienen.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 68 Nds. SOG i.V.m. § 19 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG) und hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Die Anordnung der Ersatzzwangshaft ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden; allerdings war deren Dauer herabzusetzen.
1. Zwar hat das Amtsgericht den Betroffenen entgegen §§ 68 Abs. 2 Satz 3, 19 Abs. 4 Nds. SOG i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 1 FamFG nicht persönlich angehört. Der Verfahrensfehler ist allerdings gemäß § 69 FamFG durch Anberaumung eines Termins zur persönlichen Anhörung des Betroffenen vor dem Senat geheilt. Dass der Betroffene dem Anhörungstermin fern geblieben ist, hindert eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht (§ 34 Abs. 3 FamFG).
2. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Ersatzzwangshaft ist § 68 Abs. 1 Nds. SOG. Danach kann das Amtsgericht auf Antrag der Verwaltungsbehörde oder der Polizei Ersatzzwangshaft anordnen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist und bei Androhung des Zwangsgeldes auf die Möglichkeit der Ersatzzwangshaft hingewiesen worden ist. Weitere Voraussetzung der Anordnung von Ersatzzwangshaft ist gemäß § 64 Abs. 1 Nds. SOG, dass die Grundverfügung und die Zwangsgeldfestsetzung unanfechtbar oder sofort vollziehbar und nicht nichtig sind.
a) Diese gesetzlichen Voraussetzungen einer Haftanordnung hat das Amtsgericht hier mit Recht angenommen. Die Grundverfügung vom 15. Januar 2015 ist bestandskräftig geworden und enthielt sowohl die An...