Leitsatz (amtlich)
Anlässlich des Begehens einer Hehlerei ist regelmäßig nicht mit dem Auffinden von DNA-Spuren zu rechnen.
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 30 AR 5/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 27. August 2009 auf Anordnung der Entnahme von Körperzellen des Angeklagten und molekulargenetischer Untersuchungen wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I. Die Staatsanwaltschaft Hannover legt dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 23. Juli 2009 zur Last, in der Zeit von Januar 2001 bis Dezember 2004 51 Straftaten der gewerbsmäßigen Hehlerei begangen zu haben, indem er von dem Zeugen P., einem Beamten des damaligen Informationszentrums Niedersachsen (izn), diverse hochwertige Elektroartikel zu einem Preis von 20 bis 25 % des tatsächlichen Warenwertes ankaufte, und zwar gegen Barzahlung und ohne Rechnung; die Elektroartikel wurden teilweise von dem gesondert Verurteilten P. vom izn mit zu diesem nach Hause genommen und dort an den Angeklagten übergeben; teilweise wurden sie auch direkt an den Angeklagten oder eine von ihm bestimmte Adresse geliefert; insgesamt erhielt der Angeklagte Waren im Wert von 2.777.136,62 EUR.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover vom 27. August 2009 ordnete das Landgericht Hannover am 6. Oktober 2009 gegen den Angeklagten gemäß § 81 g StPO zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren die Entnahme von Körperzellen und die Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen an.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Der angefochtene Beschluss konnte bereits deswegen keinen Bestand haben, weil seine Begründung nicht den Anforderungen des § 81g Abs. 3 Satz 5 StPO und den durch das BVerfG in ständiger Rechtsprechung (BVerfG NStZ 2001, 328 ff. (330); BVerfG NJW 2001, 2320 ff. (2321); BVerfG StV 2003, 1) benannten Kriterien genügte. Gemäß § 81g Abs. 3 Satz 5 StPO sind in der Begründung eines Beschlusses nach § 81g StPO die für die Beurteilung der Erheblichkeit der Straftat bestimmenden Tatsachen, die Erkenntnisse, auf Grund derer Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren zu führen sein werden und die Abwägung der jeweils maßgeblichen Umstände einzelfallbezogen darzulegen. Eine formularartige Abfassung einer Entscheidung und eine Bezugnahme auf Schriftstücke außerhalb der Begründung sind dabei nichts stets von Verfassung wegen zu beanstanden. Entscheidend ist, ob die Gründe unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Schriftstücke erkennen lassen, dass der Richter eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung getroffen hat, die sich auf tragfähige Gründe stützt und dadurch der Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung trägt (BVerfG NJW 2001, 882 f. (882 f.); Meyer-Goßner, § 34 StPO Rn. 4; BeckOK StPO Stand: 1.10.2009 § 34 Rn. 3). Die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Hannover erschöpft sich in der Benennung des dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwurfs der gewerbsmäßigen Hehlerei und dem Hinweis auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 23. Juli 2009 sowie die in dieser Anklageschrift benannten Beweismittel und dem bisherigen Ermittlungsergebnis. Ausführungen zu der nach § 81g StPO erforderlichen Negativprognose fehlen gänzlich; es wird auch nicht dargelegt, inwiefern einem DNA-Identifizierungsmuster in zu erwartenden künftigen Strafverfahren die erforderliche potentielle Aufklärungsrelevanz zukommt (vgl. Löwe/Rosenberg § 81g StPO, Rn. 37). Dieser Mangel ist auch nicht durch die Entscheidung der Kammer, der Beschwerde nicht abzuhelfen, geheilt worden.
2. Die mangelhafte Begründung des angefochtenen Beschlusses führt indessen nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Diese käme nur dann in Betracht, wenn eine Begründung völlig fehlte und mit der angefochtenen Entscheidung gravierende Rechtsfolgen für den Betroffenen angeordnet würden, so dass es untragbar wäre, ihm in der Sache eine Instanz zu nehmen. Grundsätzlich hat das Beschwerdegericht nach § 309 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderliche Entscheidung selbst zu treffen.
3. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer DNA-Untersuchung nach § 81 g StPO liegen nicht vor. Gemäß § 81g Abs. 1 StPO dürfen einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer Straftat von erhebliche...