Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigenvergütung für die Begutachtung eines in einer Autowaschanlage beschädigten Kraftfahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Vergütung der Begutachtung der Ursache eines in einer Autowaschanlage an einem Kraftfahrzeug entstandenen Schadens ist das der Honorargruppe 8 zugeordnete Sachgebiet Nr. 20 (Kraftfahrzeugschäden und -bewertung) der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG maßgeblich und nicht das zur Honorargruppe 12 gehörenden Sachgebiet Nr. 37 (Ursachenermittlung und Rekonstruktion bei Fahrzeugunfällen), sofern die Beschädigung nicht in einem spezifischen Zusammenhang mit dem Betrieb des beschädigten oder eines anderen Kraftfahrzeugs steht.

 

Normenkette

JVEG § 9 Abs. 1 Anl 1 Nrn. 20, 37

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 27.04.2017; Aktenzeichen 1 S 55/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen J. S. vom 17.5.2017 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Hannover vom 27.4.2017, durch den die vom Sachverständigen nach dem Beweisbeschluss der 1. Zivilkammer des LG Hannover vom 30.5.2016 zu erbringende Leistung der Honorargruppe 8 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG ("Kraftfahrzeugschäden und -bewertung") zugeordnet worden ist, wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Gründe

Die gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG zulässige Beschwerde des Sachverständigen, über die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung und einer besonderen Schwierigkeit rechtlicher Art gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hatte, ist nicht begründet.

Die Begründung der Einzelrichterin des LG, die sich im Wesentlichen in der Bezugnahme auf eine Entscheidung des LG Osnabrück vom 1.9.2015 (Az.: 9 T 419/15) erschöpft, vermag zwar schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Begründung des LG Osnabrück in wesentlichen Teilen unzutreffend ist.

So hat das LG Osnabrück schon im Ausgangspunkt verkannt, dass auch Waschanlagen zum allgemein zugänglichen Verkehrsraum zählen und es mithin auch dort zu einem Unfall im Straßenverkehr kommen kann (siehe nur Fischer, StGB, 59. Auflage, § 142 Rn. 8). Ungeachtet dessen ist in Ziffer 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG nur von einem "Fahrzeugunfall", nicht aber von einem "Unfall im Straßenverkehr" (siehe § 34 Abs. 1 StVO) oder einem "Verkehrsunfall" (siehe § 142 Abs. 1 StGB) die Rede.

Ebenfalls fernliegend ist die Auffassung des LG Osnabrück, ein Unfall in einer Waschanlage stelle kein notwendigerweise plötzliches Ereignis dar. Das LG Osnabrück verkennt den Wesensgehalt des Tatbestandsmerkmals "plötzlich". Der Begriff der Plötzlichkeit dient in erster Linie zur Abgrenzung von solchen Ereignissen, bei denen es allmählich über einen längeren Zeitraum zum Eintritt des Schadens kommt (vgl. nur Rüffer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, 3. Auflage, § 178 Rn. 8). Ferner geht es in subjektiver Hinsicht um unerwartete, überraschende und deshalb unentrinnbare Ereignisse (Rüffer, a.a.O. Rn. 9). Beides trifft auf eine Beschädigung eines Kraftfahrzeuges in einer Waschanlage zu.

Dies ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis nur eine Zuordnung der vom Sachverständigen zu erbringenden Leistung zum Sachgebiet der Ziffer 20 (Honorargruppe 8) der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG in Betracht kommt, weil das Sachgebiet der Ziffer 37 (Honorargruppe 12) jedenfalls im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.

Zwar ist richtig, dass unter einem Unfall nach allgemeiner Meinung ein auf einer äußeren Einwirkung beruhendes plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmtes Ereignis verstanden wird, welches Schaden an Menschen oder Sachen verursacht (siehe nur Filthaut, Haftpflichtgesetz, 6. Auflage, § 1 Rn. 124; vgl. auch die Legaldefinition in § 178 VVG). Wenn daher in Ziffer 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG der Begriff des "Fahrzeugunfalles" Verwendung findet, könnte dies dafür sprechen, jedwedes plötzliches zur Schädigung eines einzelnen (Kraft-)Fahrzeuges führendes Ereignis ausreichen zu lassen.

Ein solches nur am Wortlaut der Ziffer 37 orientiertes isoliertes Verständnis verbietet sich aber schon deshalb, weil bei der Auslegung immer der Bedeutungszusammenhang, also der Kontext mit anderen Regelungen und deren Inhalt, zu beachten ist (vgl. nur Larenz/Canaris, Methodenlehre des Rechts, 3. Auflage, S. 145 ff.). Wenn aber die begriffliche Systematik sämtlicher Ziffern der Sachgebietsbezeichnungen in den Blick genommen wird, fällt auf, dass in der Nr. 37 bezeichnenderweise nicht allgemein von der Ursachenermittlung bei Fahrzeugschäden, sondern (nur) bei Fahrzeugunfällen die Rede ist. Schon die Verwendung des Wortes Fahrzeugunfall macht insoweit deutlich, dass der Gesetzgeber nicht schon jeglichen Fahrzeugschaden für ausreichend erachtet hat. Dass der Gesetzgeber insoweit bewusst eine Differenzierung vorgenommen hat, folgt schon aus den Regelungen in Ziffer 4.3 und 13.3, wo (nur) von "Schadensermittlung, -ursachenermittlung und -bewertung" die Rede ist. Wenn der Gesetzgeber ta...

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