Leitsatz (amtlich)
1. Zustimmungen i.S.d. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz frei widerrruflich.
2. Eine widerrufene Zustimmung ist nicht vollkommen bedeutungslos. Vielmehr sind die Gründe für den Widerruf nebst Begleitumständen sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob der Widerruf tatsächlich im Interesse des Kindeswohls erklärt worden ist.
Verfahrensgang
AG Rinteln (Urteil vom 24.05.2006; Aktenzeichen 4 F 43/06) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird das am 24.5.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Rinteln im Ausspruch zur elterlichen Sorge (Ziff. II der Urteilsformel) aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG zurückverwiesen.
II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das AG hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und zugleich die elterliche Sorge für die drei gemeinsamen Kinder der Parteien ... (geboren .... 1990), ... (geboren .... 1991) und ... (geboren .... 2000) der Antragstellerin allein übertragen, nachdem der Antragsgegner sich mit dieser Regelung einverstanden erklärt hatte.
Mit seinem Rechtsmittel greift der Antragsgegner die Sorgerechtsregelung an und begehrt die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Er macht geltend, als in erster Instanz nicht anwaltlich vertretene Partei die Reichweite seiner Zustimmung zu einer Übertragung der elterlichen Sorge allein auf die Kindesmutter verkannt zu haben. Nunmehr sei er mit einer solchen Regelung nicht einverstanden.
Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, der Antragsgegner müsse sich an seinem einmal erklärten Einverständnis festhalten lassen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg nach Maßgabe der Beschlussformel.
1. Das Rechtsmittel ist nicht bereits deswegen unbegründet, weil der Antragsgegner in erster Instanz seine Zustimmung zu der angefochtenen Sorgerechtsregelung erklärt hat. Zustimmungen i.S.d. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind nach herrschender Meinung bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz frei widerrruflich (vgl. u.a. Schwab FamRZ 1998, 457; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht, 4. Aufl., § 1671, Rz. 24 ff. m.w.N., AG Hannover v. 13.10.2000 - 608 F 2223/99 SO, FamRZ 2001, 846, 848). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Elternrechte und -pflichten sind nicht durch Willenserklärungen verzichtbar. Die Zustimmung nach § 1671 Abs. 2 S. 1 BGB ist lediglich eine unter Aufrechterhaltung der Elternverantwortung eröffnete rechtliche Möglichkeit, an praktikablen Lösungen i.S.d. Kindeswohls mitzuwirken (Jaeger a.a.O., Rz. 25). Ein endgültiger Verzicht ist damit nicht verbunden. Allein diese Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der diese Frage zu § 1671 i.d.F. des SorgerechtsG zwar bislang nicht zu entscheiden hatte, aber bereits zur vorherigen Fassung der Vorschrift festgestellt hat, dass es sich bei dem übereinstimmenden Elternvorschlag zur elterlichen Sorge nicht um eine vertragliche oder vertragsähnliche Vereinbarung handele, welche den Regeln des Vertragsrechts unterliege (BGH v. 14.10.1992 - XII ZB 150/91, MDR 1993, 241 = FamRZ 1993, 314, 315).
2. Die angefochtene Entscheidung kann hinsichtlich der Regelung der elterlichen Sorge bereits deswegen keinen Bestand haben, weil das erstinstanzliche Verfahren insoweit unter einem schwerwiegenden, die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden Verfahrensfehler leidet. Das AG hat seine Entscheidung ausschließlich auf die Zustimmung des Antragsgegners gegründet. Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB genügt die Zustimmung des anderen Elternteils jedoch nur dann, wenn betroffene, mindestens 14 Jahre alte Kinder der Übertragung nicht widersprechen. Ob dies der Fall ist, hat das Gericht gem. § 50b Abs. 2 FGG stets durch persönliche Anhörung der Kinder zu klären (Jaeger a.a.O., Rz. 27; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt FGG, 15. Aufl., § 50b, Rz. 9). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, da zwei der drei betroffenen Kinder 14 Jahre oder älter sind.
Im Ergebnis war daher die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das AG zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, welche Regelung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl am Besten entspricht und hierzu auch die betroffenen Kindern anzuhören haben. Dabei wird auch zu beach-ten sein, dass die widerrufene Zustimmung nicht vollkommen bedeutungslos ge-worden ist. Vielmehr sind die Gründe für den Widerruf nebst Begleitumständen sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob der Widerruf tatsächlich im Interesse des Kindeswohls erklärt worden ist (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab näher Jaeger, a.a.O., Rz. 26 a.E.).
Fundstellen
Haufe-Index 1782118 |
FamRZ 2007, 756 |
OLGR-Nord 2007, 690 |