Leitsatz (amtlich)
Die Entkräftung der Beweiswirkung der für einen manipulierte Unfall (Berliner Modell) sprechenden Indizien erfordert die Darlegung einer ernsthaft in Betracht kommenden anderen Möglichkeit der Schadensentstehung. Für eine solche Ernsthaftigkeit genügt nicht der bloße Hinweis auf einen Geschehensablauf, nach dem der Schadenseintritt typische Folge einer anderen Ursache sein kann.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 13.06.2012; Aktenzeichen 6 O 65/12) |
Tenor
I. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.678,65 EUR festgesetzt.
II. Es wird erwogen, die Berufung der Klägerin gegen das am 13.6.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hannover (Az.: 6 O 65/12) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom LG festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des LG veranlasst. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
1. Zutreffend geht die angefochtene Entscheidung davon aus, dass die darin aufgeführten Indizien für das Vorliegen eines gestellten Unfalls sprechen und der Klägerin die Entkräftung der von diesen ausgehenden Beweiskraft nicht gelungen ist, so dass ihr damit kein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz gem. §§ 823 BGB, 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG zusteht.
Die Feststellung des LG, die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Indizien rechtfertigten im vorliegenden Fall die Annahme, dass die Beschädigungen am Klägerfahrzeug mit Zustimmung der Klägerin im Wege eines gestellten Unfalls nach dem sog. "Berliner Modell" herbeigeführt worden sind, ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden.
a) Wird - wie im vorliegenden Fall - ein Fahrzeug der Oberklasse durch ein soeben entwendetes, nahezu wertloses, gleichwohl aber hinreichend stabiles Schädigerfahrzeug zur Nachtzeit an einem wenig befahrenen, dem Schädiger ausreichend Gelegenheit zum Verschwinden bietenden Ort unter nicht für einen "gewöhnlichen" versehentlichen Fahrfehler sprechenden Umständen dergestalt beschädigt, dass mit den Beschädigungen im Wesentlichen nur eine optische Beeinträchtigung des "Opferfahrzeugs" einhergeht, dessen Nutzbarkeit aber erhalten bleibt, ist dies eine typische Konstellation für ein fingiertes Unfallgeschehen.
Denn wenn auch jedes dieser Indizien für sich genommen nicht zwangsläufig ein Anzeichen eines einverständlichen Schädigungsgeschehens darstellt - selbstverständlich verkennt der Senat nicht, dass sich auch zur Nachtzeit und in Seitenstraßen "echte" Unfälle ereignen können - so begründet jedenfalls das kumulative Vorliegen solcher, eine Aufklärbarkeit des tatsächlichen Geschehens mindestens unwahrscheinlich, u.U. unmöglich machender Umstände den dringenden Verdacht einer Manipulation.
b) Soweit die Klägerin einwendet, dass der vorliegende Sachverhalt "signifikante Unterschiede" zu den den vom LG in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats vom 15.1.2004 und 18.4.2007 zugrunde liegenden Fällen aufweise, so trifft dies weder zu, noch kommt es im Ergebnis darauf an.
aa) Insoweit verkennt die Klägerin bereits, dass der Beweis einer Unfallmanipulation nicht nur bei Vorliegen sämtlicher und genau der in den vorstehend genannten Entscheidungen des Senats aufgeführten Beweisanzeichen als geführt zu erachten ist, sondern dass in diesem Zusammenhang ausschließlich von Bedeutung ist, ob - auch wenn sich einzelne Indizien einer nachvollziehbaren Erklärung zuführen lassen - die verbleibenden unstreitigen oder als erwiesen anzusehenden Tatsachen in ihrer Gesamtheit eine vernünftige Zweifel ausschließende Gewissheit für das Vorliegen eines gestellten Unfallgeschehens begründen. Die zu dieser Gewissheit führenden Indizien sind dabei nicht zwangsläufig immer identisch, sondern können - je nach Lebenssachverhalt - sogar erheblich voneinander differieren.
bb) Unter dieser Maßgabe stellt das Vorhandensein von Vorschäden am "Opferfahrzeug" zwar grundsätzlich ein erhebliches Indiz für eine Unfallmanipulation dar. Hieraus kann jedoch nicht i...