Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines nach dem sog. "Berliner Modell" vorgetäuschten Unfalls.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 27.09.2006; Aktenzeichen 11 O 99/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Hannover vom 27.9.2006 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 13.830,14 EUR.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

1. Die Parteien streiten darum, ob der Verkehrsunfall vom 2.12.2004, bei dem der Pkw Porsche des Klägers erheblich beschädigt worden ist, "gestellt" wurde oder ob es sich tatsächlich um einen ungewollten Unfall handelte. Das LG ist im angefochtenen Urteil von letzterem ausgegangen und hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Dabei hat es zwar im Wesentlichen die Indizien aufgelistet, die vorliegend für einen fingierten Unfall nach dem sog. "Berliner Modell" sprechen, gleichwohl aber den entsprechenden Schluss nicht gezogen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass hier auch "aus reiner Zerstörungswut" gehandelt worden sei. Darüber hinaus hat die Kammer auch nicht die - grundsätzlich erforderliche (vgl. Senat, Urt. v. 13.6.2002 - 14 U 272/01, juris; Urt. v. 13.5.2004 - 14 U 241/03, OLGReport Celle 2004, 456 = OLGR 2004, 456; Urt. v. 21.2.2006 - 14 U 149/05, OLGReport Celle 2006, 273 = OLGR 2006, 273) - Gesamtschau der Indizien vorgenommen. Die Beklagte begehrt deshalb mit ihrer Berufung die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Der Kläger verteidigt demgegenüber die ihn begünstigende Entscheidung (vgl. im Übrigen das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, Bl. 201 d.A.).

2. Die Berufung ist begründet. Die Gesamtheit der anschließend aufgeführten Indizien beweisen jedenfalls dem ersten Anschein nach einen "gestellten" Unfall. Dem Kläger ist es demgegenüber nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden Anschein einer Unfallmanipulation zu entkräften.

a) Diese Indizien sprechen für einen manipulierten Unfall:

  • Geschädigtes Fahrzeug der Oberklasse (Pkw Porsche Boxter Roadster, schwarzmetallic mit diversem Sonderzubehör, Baujahr 1999, keine Vorbesitzer, 65.919 km, Zustand gepflegt, Karosseriezustand gut, Vorschaden aus dem Jahr 2003).
  • Schädigendes Fahrzeug ein praktisch wertloser (maximal 500 EUR) VW-Golf, Erstzulassung 1987.
  • Dieser VW-Golf wurde weniger als 200m vom "Unfallort" entwendet.
  • Mit diesem Fahrzeug wurde auch nach den sachverständigen Feststellungen (Gutachten des Sachverständigen Modro vom 2.6.2006) gezielt gegen den Pkw Porsche gefahren, ohne dass eine vernünftige Ursache für den Unfall, insbesondere ein Lenkfehler oder ein sonstiges Versehen erkennbar ist.
  • Schadenszeit gegen 00:45 Uhr, also in der Nacht.
  • Schadensort an einer wenig befahrenen Straße.
  • Das schädigende Fahrzeug - der VW-Golf - war nach der Schadensfahrt noch fahrtüchtig.
  • Gleichwohl flüchtete der Täter ohne das Auto zu Fuß.
  • Am "Unfallort" finden sich keinerlei Brems-, Blockier- oder Schleuderspuren.
  • Die Räder des entwendeten - schädigenden - Fahrzeugs befinden sich in Geradeausstellung.
  • Das Lenkrad dieses Fahrzeugs ist frei beweglich.
  • Ein Seitenfenster des entwendeten Fahrzeugs ist heruntergekurbelt (damit für den Fall, dass sich durch den Unfall die Türen verklemmen, der "Unfallfahrer" das Auto noch verlassen kann).
  • Das "Zielfahrzeug" - hier der Pkw Porsche - wurde im Bereich der Fahrzeugseite bzw. im Heckbereich beschädigt und nicht dort, wo sich die besonders hochwertigen Fahrzeugteile befinden, also insbesondere Front- und Motorbereich.
  • Es erfolgte keine Reparatur mit einer Werkstattrechnung bzw. Reparaturkostenübernahme.

Die vorgenannten Punkte erfüllen geradezu "schulbuchartig" die Merkmale eines verabredeten Verkehrsunfalls nach dem "Berliner Modell". Die erdrückende Fülle der Indizien begründet zumindest den äußeren Anschein für eine betrügerische Vortäuschung eines Unfallgeschehens.

b) Ein solcher Anscheinsbeweis für einen "gestellten" Unfall ist nach der Rechtsprechung des BGH zwar nur in Ausnahmefällen denkbar, weil die Häufung von Beweisanzeichen für eine Manipulation grundsätzlich nur der unmittelbaren Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin dienen kann, dass eine solche Manipulation vorliegt (vgl. BGHZ 71, 339, juris Rz. 28). Da für die richterliche Überzeugungsbildung nicht unbedingt eine "mathematisch lückenlose" Gewissheit erforderlich ist, kann die Fülle von Beweistatsachen - wie vorliegend - auch die richterliche Überzeugungsbildung für einen gestellten Unfall rechtfertigen. Letztlich ist dies aber nicht erforderlich, weil eine besonders typische Gestaltung des angeblichen Unfallgeschehens - wie hier - auch schon dazu führt, dass es Sache des Klägers ist, den gegen ihn sprechenden Anschein einer Manipulation zu entkräften (vgl. BGH,...

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