Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Bindungswirkung durch Antrag der Staatsanwaltschaft auf Außervollzusetzung eines Haftbefehls für Haftrichter im Ermittlungsverfahren.

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls im Ermittlungsverfahren hat keine Bindungswirkung für den Haftrichter. § 120 Abs. 3 StPO ist nicht entsprechend anwendbar.

 

Normenkette

StPO § 112a Abs. 1, §§ 116, 120 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Entscheidung vom 15.04.2021; Aktenzeichen 4 Qs 19/21)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Bückeburg vom 15. April 2021 wird verworfen.

Der Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stadthagen hat am 21.03.2021 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bückeburg gegen den am 20.03.2021 vorläufig festgenommenen Beschuldigten Haftbefehl erlassen. Seither befindet sich der Beschuldigte ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Dem Haftbefehl vom 21.03.2021 liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte Ö. kamen gemeinsam im März 2021 auf die Idee, gezielt von männlichen Personen Bargeldbeträge, auf die sie keinen Anspruch hatten, zu erbeuten, um sich so durch fortgesetzte Tatbegehung eine erhebliche dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Sie überzeugten die Mitbeschuldigte L. T., für sie den Lockvogel zu spielen, und spielten Personen auf den Internetportalen Quoka.de und Markt de. vor, dass die Beschuldigte T., die sie als "L." ausgaben, bereit sei, sich mit diesen zu treffen und sexuelle Handlungen gegen Bezahlung durchzuführen. Sie wollten so eine Bezahlung erlangen, ohne dass die Beschuldigte T. tatsächlich zu einem Sexualkontakt bereit gewesen wäre. Sie verabredeten, jederzeit den Kontakt mit den Männern -notfalls gegen Gewaltanwendung - unterbinden zu wollen, um die Beschuldigte T. zu schützen und die Beute sichern zu können.

1. - 2.

Am 15.03.2021 (Tat zu 1.) und 19.03.2021 (Tat zu 2.) kam es zu Treffen der Beschuldigten T. mit zwei Männern, denen der Beschuldigte und der weitere Beschuldigte Ö. zuvor in einem Chat einen Sexualkontakt zu der Beschuldigten T. gegen Bezahlung in Aussicht gestellt hatten. Die Beschuldigte T. erhielt jeweils Geld von den unbekannt gebliebenen Männern (Tat zu 1.: 50 Euro, Tat zu 2: 200 Euro), wobei sie bei der Tat zu 2. in den Pkw des Mannes einstieg und zu dessen Wohnung fuhr, während der Beschuldigte und die weiteren Beschuldigten Ö. und Wi. I. dem Pkw folgten. Die Treffen wurden jeweils von dem Beschuldigten und seinen Mittätern beendet.

3.

Am 20.03.2021 arrangierte der Beschuldigte gemeinsam mit dem weiteren Beschuldigten Ö. ein Treffen der Beschuldigten T. mit dem Zeugen K. in B.. Es wurde vereinbart, dass der Zeuge gegen Bezahlung von 150 Euro Oralverkehr mit der Beschuldigten T. durchführen könne. Nach der Übergabe von 150 Euro durch den Zeugen K. an die Beschuldigte T. schlug der Beschuldigte gemeinsam mit weiteren Mittätern auf den Zeugen K. ein und forderte die Herausgabe weiteren Bargelds, woraufhin der Zeuge 500 Euro an den Beschuldigten und seine Mittäter aushändigte.

4.

Sodann zwangen der Beschuldigte und seine Mittäter den aufgrund der vorangegangenen Schläge verängstigten Zeugen K., in den von ihnen geführten Pkw einzusteigen, und fuhren mit dem Zeugen zu der Sparkasse in B., wo sie den Zeugen zwangen, unter Ausschöpfung des Kartenlimits von 1000 Euro einen möglichst großen Bargeldbetrag abzuheben.

Der Haftbefehl stützt sich auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr.

Das Amtsgericht Stadthagen führte am 13.04.2021 einen Termin zur mündlichen Haftprüfung durch. In diesem Termin ließ sich der Beschuldigte geständig ein. Der Verteidiger beantragte daraufhin, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragte, den Haftbefehl mit der Auflage eines Kontaktverbots außer Vollzug zu setzen. Das Amtsgericht hielt den Haftbefehl aus den fortbestehenden Gründen seines Erlasses aufrecht und lehnte eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls ab. Gegen diese Entscheidung richtete sich der Beschuldigte mit der am 14.04.2021 eingelegten Beschwerde. Mit dieser machte er zum einen geltend, dass das Amtsgericht an den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls gebunden gewesen sei, zum anderen sei der Haftgrund des § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO nicht gegeben, weil eine Wiederholungsgefahr nicht angenommen werden könne und zudem eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nicht zu erwarten sei.

Das Landgericht Bückeburg verwarf die Haftbeschwerde des Beschuldigten am 15.04.2021 als unbegründet. Es liege ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten vor, es bestehe der Haftgrund der Wiederholungsgefahr. Das Amtsgericht Stadthagen sei an den Außervollzugsetzungsantrag der Staatsanwaltschaft nicht gebunden gewesen. Die Voraus...

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