Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen der Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse bei Tod des Angeklagten
Leitsatz (amtlich)
Bei der wegen Eintritt eines Verfahrenshindernisses vorzunehmenden Ausübung des Ermessens über eine Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Rechnung zu tragen. Ein prozessual vorwerfbares Verhalten des Angeklagten ist gleichwohl keine Voraussetzung für eine Auslagenentscheidung zu seinem Nachteil.
Normenkette
StPO § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Entscheidung vom 14.05.2012) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Taten zu II. 2, 3, 4, 5, 8, 10, 12, 13 und 14 des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 14. Mai 2012 der Landeskasse auferlegt werden.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer. Die Beschwerdegebühr wird um ½ ermäßigt. Im selben Umfang trägt die Landeskasse die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Der ehemalige Angeklagte wurde mit Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. Mai 2012 wegen veruntreuender Unterschlagung und beharrlicher Zuwiderhandlung gegen eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt.
Auf die hierauf von ihm erhobene Revision hob der BGH mit Beschluss vom 14. November 2012 (3 StR 372/12) das angefochtene Urteil mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
Noch bevor die Sache erneut verhandelt werden konnte, verstarb der ehemalige Angeklagte am 26. März 2014 infolge eines Verkehrsunfalls.
Das Landgericht Hildesheim stellte sodann mit dem angefochtenen Beschluss das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gem. § 206a StPO auf Kosten der Staatskasse ein. Von einer Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse wurde gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO abgesehen, da eine Abwägung es recht und billig erscheinen ließe, die Staatskasse nicht mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten zu belasten, zumal bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses eine Verurteilung zu erwarten gewesen sei.
Gegen die ablehnende Auslagenentscheidung ist durch Schriftsatz des Verteidigers vom 16. Mai 2014 sofortige Beschwerde erhoben worden, soweit die Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Landeskasse unterblieben ist.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
a. Gegen die Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten auf die Staatskasse ist die sofortige Beschwerde statthaft, § 464 Abs. 3 S. 1 StPO. Die Vorschrift des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Danach ist die Beschwerde unzulässig, wenn die Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Diese Vorschrift ist jedoch nicht anwendbar, wenn gegen die Hauptentscheidung ein Rechtsmittel grundsätzlich statthaft ist, das aber mangels Beschwer nicht ergriffen werden kann (vgl. KK-Gieg, 7. Aufl., § 464 StPO, Rn. 9). So liegt es im Fall der Einstellung nach § 206a StPO, die grundsätzlich nach § 206a Abs. 2 StPO anfechtbar ist.
b. Der Pflichtverteidiger des ehemaligen Angeklagten war auch zur Fertigung des die sofortige Beschwerde einlegenden Schriftsatzes befugt, da die Pflichtverteidigerbestellung nicht auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt war und somit erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens endet.
Solange etwaige Nebenentscheidungen - wie beispielsweise die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten - nicht rechtskräftig sind, bleibt das Verfahren insoweit anhängig. Mithin ist der Pflichtverteidiger auch nach Tod des ehemaligen Angeklagten berechtigt, eine Auslagenentscheidung durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.04.2012, Az. 2 Ws 284/12 -juris-). Der Gegenauffassung (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 2. November 2007, 2 Ws 133/07 -juris-), wonach die Rechtsstellung des Pflichtverteidigers mit dem Tod des Angeklagten endet, schließt sich der Senat nicht an. Der StPO ist nicht zu entnehmen, dass nach dem Tod eines Angeklagten kein Raum mehr für Entscheidungen sein soll (vgl. BGH NJW 1999, 3644 unter Hinweis auf die Möglichkeit, ein Wiederaufnahmeverfahren allein zum Zweck der Rehabilitierung des verstorbenen Verurteilten zu betreiben; vgl. zur sofortigen Beschwerde bei verstorbenem Angeklagten durch den Wahlverteidiger auch OLG Celle, NJW 2002, 3720).
2. Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
Gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO kann bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen eines Angeklagten ...