Leitsatz (amtlich)
1. Der am Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft beteiligten Mutter kann Verfahrenskostenhilfe nicht als mutwillig mit der Begründung versagt werden, dass die Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand kostengünstiger sei.
2. Auch der am Vaterschaftsfeststellungsverfahren beteiligten Mutter ist grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen (§ 78 Abs. 2 FamFG).
3. Über die Abstammung von Geschwistern ist gem. § 179 FamFG in getrennten Verfahren zu entscheiden.
Verfahrensgang
AG Cuxhaven (Beschluss vom 05.09.2011; Aktenzeichen 11 F 1268/11) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Beteiligten zu 3 wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt..., Cuxhaven, bewilligt.
Gründe
1. Das AG hat der Beteiligten zu 3 im angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe für das auf Feststellung der Vaterschaft ihrer Kinder gerichtete Abstammungsverfahren mit der Begründung versagt, dass das Jugendamt das Verfahren als Beistand der Kinder betreibe und daher der Antrag mutwillig sei, weil ein nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesener Beteiligter nicht diesen "doppelgleisigen Weg wählen" würde, neben der kostenfreien Beistandschaft die kostenpflichtige Vertretung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. In dem von Amts wegen geführten Verfahren würden nach der Anhörung der Beteiligten zu 3 von ihr keine weiteren Aktivitäten abgefordert. Da keinerlei schwierige Sach- und Rechtslage bestehe, komme auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.
2. Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Senat teilt die Auffassung des AG hinsichtlich eines mutwilligen Verhaltens der Beteiligten zu 3 nicht und geht für das Abstammungsverfahren grundsätzlich nicht von einer einfachen Sach- und Rechtslage aus.
Nach dem bis zum August 2009 geltenden Verfahrensrecht war in dem vom Kind betriebenen Vaterschaftsfeststellungsverfahren die Mutter des Kindes gem. § 640e Abs. 1 ZPO a.F. beizuladen und konnte dem Verfahren aus Seiten des Kindes oder des als Vater in Anspruch genommenen Beklagten zur jeweiligen Unterstützung beitreten. Ob in einer solchen Situation der beitretenden Kindesmutter Prozesskostenhilfe für das kontradiktorische Verfahren zu bewilligen war, wurde unterschiedlich beurteilt und teilweise danach differenziert, ob die Beitretende selbständig sachdienliche Beiträge zur Durchsetzung der Kindesinteressen leisten will (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1506; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., Rz. 54 zu § 114 ZPO m.w.N.; ohne Beschränkung OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1467).
Durch das seit September 2009 geltende FamFG wurden die Abstammungssachen vom kontradiktorischen Verfahren der ZPO in ein einseitiges Antragsverfahren ohne formalen Gegner überführt (BT-Drucks. 16/6308, 243). An diesem Verfahren sind gem. § 172 Abs. 1 FamFG das Kind, die Mutter sowie der rechtliche oder potentielle Vater zwingend zu beteiligen. Bereits vor dem Hintergrund dieser verfahrensrechtlichen Neukonzeption kann die bisher (teilweise) restriktiv erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt "eigener sachdienlicher Beiträge" nicht fortgeführt werden (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl., Rz. 26 zu § 171 FamFG). Die Beteiligte zu 3 wählt daher auch nicht einen doppelgleisigen Weg, weil neben der eigenen Verfahrensbeteiligung die Kinder (Beteiligte zu 1 und 2) vorliegend im Verfahren durch das Jugendamt als Beistand gem. §§ 1712 BGB, 173 FamFG vertreten werden.
Im Statusverfahren kommt den Erfolgsaussichten der eigenen Rechtsverfolgung eines weiteren Verfahrensbeteiligten, die mit der des Antragstellers übereinstimmen kann, keine entscheidende Bedeutung zu, weil über die Abstammung grundsätzlich nur im gerichtlichen Verfahren entschieden werden kann (vgl. BGH FamRZ 2005, 1477, 1478 [zur Aufhebung einer Scheinehe]). Nach ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist die Beteiligte zu 3 verfahrenskostenhilfebedürftig i.S.v. § 115 ZPO, so dass ihr für das Verfahren auch bei gleichgerichtetem Feststellungsinteresse Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist.
Hiervon zu unterscheiden ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach der Rechtsprechung des BGH (FuR 2010, 568 = FamRZ 2010, 1427) ist hierzu auf eine am konkreten Einzelfall orientierte Notwendigkeitsprüfung abzustellen, die den Umfang und die Schwierigkeit der konkreten Sache und die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken, berücksichtigt und den nicht mehr geregelten Grundsatz der Waffengleichheit (vgl. OLG Bremen FamRZ 2010, 1362) einbezieht. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass den Beteiligten im Abstammungsverfahren bereits wegen dessen existentieller Bedeutung (Beschl. v. 8.9.201...