Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 1 O 279/22) |
Tenor
Der Streitwert für die Berufungsinstanz soll auf bis zu 5.000 EUR festgesetzt werden.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 6. April 2023 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Ihm wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zur evtl. Rücknahme der Berufung aus Kostengründen innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Nach vorläufiger Beurteilung liegen die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor, insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Hinsichtlich einer Haftung aus § 826 BGB entspricht das Urteil des Landgerichts der gefestigten Rechtsprechung des Senats (zB Senat, Urteil vom 2. März 2022 - 7 U 1134/20, nv) und des Bundesgerichtshofs, die er in dem Urteil vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 533/21 bestätigt hat. Nach dieser Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf das gesamte Verhalten des Schädigers bis zu dem Eintritt des Schadens bei dem konkreten Geschädigten an. Hat das Kraftfahrtbundesamt - wie hier - vor Erwerb des Fahrzeugs durch den Geschädigten wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen Maßnahmen angeordnet, insbesondere vom Hersteller die Entwicklung eines Software-Updates zur Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verlangt, und wurde darüber in den Medien berichtet, obliegt es dem Geschädigten, das Nichtvorliegen vom Schädiger behaupteter Umstände zu beweisen, welche die Beurteilung seines Verhaltens als nicht sittenwidrig wegen einer Verhaltensänderung rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 533/21, juris Rn. 22). Entsprechenden Vortrag hat der Kläger aber nicht gehalten, sondern lediglich seine Kenntnis bestritten. Soweit der Kläger anführt, es habe keine Möglichkeit bestanden, von Abschalteinrichtungen Kenntnis zu nehmen, steht dies im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vortrag, in dem er auf Pressemeldungen zu der Verwendung von Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen der Beklagten verweist. Ohnehin bestand Ende 2021 bereits die Möglichkeit, sich über den Internetauftritt des Kraftfahrtbundesamtes über die betroffenen Fahrzeuge zu informieren.
2. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV steht dem Kläger nicht zu, ohne dass es darauf ankommt, ob in der Motorsteuerung des Fahrzeugs die ursprünglich von dem Kraftfahrtbundesamt beanstandeten Abschalteinrichtungen noch aktiv sind oder - wie die Beklagte behauptet - das Software-Update bereits vor Kauf aufgespielt war. Für die Haftung nach den genannten Vorschriften ist der "Spätkauf" zum einen im Rahmen der sog. Erwerbskausalität - das heißt die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Tathandlung (Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung) und dem Abschluss eines (nicht werthaltigen) Kaufvertrages -, zum anderen für die Fahrlässigkeit von Bedeutung.
a) Der Anspruchsteller kann sich auch bei der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auf den Erfahrungssatz stützen, dass er den Kaufvertrag zu diesem Kaufpreis nicht geschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 55). Hat der Fahrzeughersteller sein Verhalten vor dem Abschluss des konkreten Erwerbsgeschäfts, das wie in den Fällen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV erst begründet, allerdings dahin geändert, dass er die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Motoren einer dem erworbenen Fahrzeug entsprechenden Baureihe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer Art und Weise bekannt gegeben hat, die einem objektiven Dritten die mit dem Kauf eines solchen Kraftfahrzeugs verbundenen Risiken verdeutlichen muss, kann die Verhaltensänderung die Anwendung des Erfahrungssatzes in Frage stellen. Dies darzulegen und zu beweisen ist wiederum Sache des Fahrzeugherstellers (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 57; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 533/21, juris Rn. 35).
Nach diesen Grundsätzen ist aufgrund des unterbreiteten Sachverhalts davon auszugehen, dass sich der Kläger nicht auf die Vermutung der Kausalität berufen kann. Daher obliegt es ihm, die Ursächlichkeit des Verstoßes gegen das Schutzgesetz für seinen Kaufentschluss nachzuweisen, also dass er bei Kenntnis der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung von dem Kauf Abstand genommen hätte. Hierzu hat er bereits in erster Instanz vorgetragen, dass er keine Kenntnis von der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen bei Abschluss des Kaufvertrages hatte und von der Betroffenheit des Fahrzeugs von Maßnahmen des Kraftfahrtbundesamtes nichts wusste. Die Beklagte hat dies jedoch bestritten, ohne dass e...