Leitsatz (amtlich)
Vergleichen sich Parteien in einem Verhandlungstermin über rechtshängige und nicht rechtshängige Ansprüche und vereinbaren sie hinsichtlich der Kosten, dass die Kosten des Rechtsstreits quotiert werden und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, so sind die etwaigen durch die Verhandlungen über die nicht rechtshängigen Ansprüche verdienten anwaltlichen Gebühren bzw. Gebührenerhöhungen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 30.10.2008; Aktenzeichen 19 O 121/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 18.11.2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 19. Zivilkammer des LG Hannover vom 30.10.2008 geändert.
Die aufgrund des vollstreckbaren Vergleiches des OLG Celle vom 12.8.2008 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden
Kosten werden auf 2.697,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20.10.2008 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.346,96 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das LG hat die auf Zahlung von 46.038,91 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. In der Berufungsverhandlung vom 12.8.2008 haben die Parteien einen Widerrufsvergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte unter Einschluss nicht rechtshängiger Ansprüche des Klägers verpflichtet hat, an den Kläger 150.000 EUR zu zahlen. Hinsichtlich der Kosten haben die Parteien vereinbart, dass die Kosten des Rechtsstreits zu ¼ der Kläger und zu ¾ die Beklagte trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Das OLG hat den Wert des Vergleiches auf 150.000 EUR festgesetzt. Der Vergleich ist nicht widerrufen worden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.10.2008 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die Klägerin für die zweite Instanz zu zahlenden Kosten auf 4.044,11 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Hierbei hat sie antragsgemäß bei den außergerichtlichen Kosten des Klägers neben der 1,6 Verfahrensgebühr nach einem Gegenstandwert von 46.038,91 EUR eine zusätzliche 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV angesetzt sowie die 1,2 Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 150.000 EUR berechnet. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.
II. Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Entgegen der Ansicht des LG sind im Rahmen de Kostenausgleichung weder eine zusätzliche 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV zu berücksichtigen, noch ist die Terminsgebühr nach Nr. 3202 RVG-VV nach einem Streitwert von 150.000 EUR zu berechnen.
1. Das LG hat sich bereits nicht mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt, unter denen die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV bzw. eine Terminsgebühr nach dem höheren Streitwert geltend gemacht werden können. Voraussetzung für den Anfall der Gebühr bzw. der nach einem erhöhten Wert zu berechnenden Gebühr ist, dass dem Rechtsanwalt zuvor für die geltend gemachten oder abgewehrten Ansprüche ein Auftrag zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2008 - VII ZB 43/08, AGS 2008, 582 f.). Feststellungen hierzu hat das LG nicht getroffen und konnte sie auch nicht treffen, weil der Kläger im Verfahren eine solche Beauftragung zu keiner Zeit behauptet hat. Allein der Umstand, dass der Vergleich im Beisein des Klägers geschlossen worden ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer ergänzenden Beauftragung für das gerichtliche Verfahren. Bereits aus diesem Grunde wäre die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 3201 RVG-VV abzusetzen gewesen bzw. die Terminsgebühr nur nach dem Streitwert von 46.038,91 EUR zu berechnen gewesen.
2. Selbst wenn man annehmen würde, der Kläger habe seinem Prozessbevollmächtigten auch hinsichtlich der nicht rechtshängigen Ansprüche einen Auftrag zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren erteilt, müsste die Beschwerde der Beklagten Erfolg haben. Denn wenn in einem gerichtlichen Vergleich eine bisher nicht rechtshängige Forderung einbezogen wird, können die aufgrund der Vergleichsverhandlungen erwachsenen Gebühren in der Regel nicht gem. §§ 103 f. ZPO festgesetzt werden (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1731). Denn das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 f. ZPO ist nur für "Prozesskosten" vorgesehen. Anwaltsgebühren sind nur insoweit Prozesskosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten. Schließen aber die Parteien im Berufungsverfahren vor dem Berufungsgericht einen Vergleich, durch den nicht rechtshängige Ansprüche mitgeregelt werden, sind die hiermit im Zusammenhang stehenden Gebühren außerhalb des Prozesses angefallen, da die in den Vergleich einbezogenen Forderungen vor dem Abschluss des Vergleiches nicht rechtshängig waren. Nach Ansicht des BGH sind mithin in einem Fall wie dem hier streitigen ke...