Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingeschränkte Zulässigkeit vertikaler Teilentscheidungen in Unterhaltssachen. Einkommenszurechnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt eine unzulässige Teilentscheidung dar, wenn in einem Unterhaltsverfahren nur über einen Teil des streitgegenständlichen Gesamtzeitraums entschieden wird (vertikale Teilentscheidung), obwohl sich eine für den Unterhalt in dem beschiedenen Teilzeitraum beantwortete rechtliche Frage auch für den noch anhängig bleibenden Teilzeitraum erneut stellt oder stellen kann (hier: Höhe der dem Unterhaltspflichtigen zuzurechnenden Einkünfte sowie die streitige Zahl der zu berücksichtigenden Unterhaltsberechtigten). [Tz. 13-16]

2. Bei dem dem Unterhaltspflichtigen als erzielbar zuzurechnenden Einkommen aus einer hypothetischen Arbeitsstelle ist - auch soweit es um die Sicherung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder geht - regelmäßig ein pauschaler Abzug für berufsbedingten Aufwand vorzunehmen. [Tz. 22]

3. Zur Höhe des von einem nicht gesundheitlich eingeschränkten Arbeitsfähigen ohne formelle Berufsqualifikation erzielbaren Nettoeinkommens (hier: für 2012 bei LSt-Kl. I/0,5 jedenfalls maßgebliche rund 1.030 EUR). [Tz. 24]

 

Normenkette

ZPO §§ 301, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 538 S. 3; FamFG § 117 Abs. 2; BGB § 1603 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 09.01.2013; Aktenzeichen 607 F 3661/12)

 

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt.

2. Die Beteiligten werden gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 139 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat auf die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hin den Teil-Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 9.1.2013 aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen haben wird, ohne dass es eines diesbezüglichen Antrages eines Beteiligten bedürfte, da es sich um eine unzulässige Teilentscheidung handelt.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 1.200 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die minderjährige Tochter des Antragsgegners aus dessen geschiedener Ehe mit der gesetzlichen Vertreterin des Antragsgegners. Sie nimmt im vorliegenden, im Juli 2012 eingeleiteten Verfahren ihren Vater auf Kindesunterhalt für die Zeit ab März 2012 als Zeitpunkt eines vorgerichtlichen Auskunftsbegehrens in Anspruch.

Der Antragsgegner, der über keine formale Berufsausbildung verfügt, betreibt ein Kleingewerbe mit monatlichen Einnahmen von bis zu 800 EUR, woraus sich allerdings nicht mehr als eine Deckung der entstehenden Kosten ergibt. Er lebt zusammen mit einer Lebensgefährtin sowie deren einem Kind bzw. seit 19.9.2012 zwei Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf durch das örtliche JobCenter gedeckt wird.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der Antragsgegner könne aus einer ihm möglichen Vollzeitbeschäftigung ein unter Wahrung seines Selbstbehaltes zur Leistung des Mindestunterhalts ausreichendes Einkommen erzielen. Der Antragsgegner hält sich dagegen für vollständig leistungsunfähig und meint, bei realistischer Betrachtung allenfalls in Höhe seines Selbstbehaltes Einkünfte erzielen zu können.

Der Antrag ist aufgrund eingeschränkter VKH-Bewilligung am 21.8.2012 nur hinsichtlich eines monatlichen Kindestunterhalts i.H.v. 180 EUR rechtshängig geworden; dabei ist das AG von einem monatlich erzielbaren maßgeblichen Einkommen von rund 1.030 EUR sowie einem - im Hinblick auf das Zusammenleben - abgesenkten Selbstbehalt i.H.v. 850 EUR ausgegangen.

Erstmals im Verhandlungstermin vor dem AG am 14.11.2012 hat der Antragsgegner geltend gemacht, der Vater der am ... 2012 geborenen Tochter M. seiner Lebensgefährtin zu sein und auch diesem Kind unterhaltsverpflichtet zu sein. Nachdem diese Vaterschaft von der Antragsgegnerin bestritten wurde, ist ihm zum Nachweis insofern eine Schriftsatzfrist gewährt worden. Innerhalb der gesetzten Frist hat der Antragsteller ergänzend unter entsprechender Urkundsvorlage dargelegt, dass die Tochter M. K. seiner Lebensgefährtin am ... 2012 geboren und ein Anfechtungsantrag gegen die gesetzlich vermutete Vaterschaft des - seit geraumer Zeit in Russland lebenden - Ehemannes seiner Lebensgefährtin mit dem Ziel eines Vaterschaftsanerkenntnisses durch den Antragsgegner gestellt worden ist. Weitergehend hat er geltend gemacht, noch einer weiteren, am ... 2006 geborenen Tochter A. S. dem Grunde nach unterhaltspflichtig zu sein und sich insofern - unter Vorlage der ergangenen Entscheidung - auf ein beim AG geführtes Verfahren bezogen, in dem mit Zustimmung ihrer Mutter die elterliche Sorge für Alexandra auf beide Kindeseltern übertragen worden sein soll.

Das AG hat mit - ausdrücklich auch so bezeichnetem - Teil-Beschluss vom 9.1.2013 den Antragsgegner für die Zeit vom 1.3. bis 31.8.2012 zu Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. insgesamt (6 × 180 EUR =) 1.080 EUR verpflichtet und das Verfahren hinsichtlich des Unterhaltsanspruches für die...

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