Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung. Entziehungsanstalt. Fortdauer. Rückwirkungsverbot. Prüfung der Fortdauer einer vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Leitsatz (amtlich)
Für die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt finden - von § 67 StGB abgesehen - die aktuell gültigen Vorschriften des StGB Anwendung.
Normenkette
StGB § 2 Abs. 6, §§ 64, 67d, 67e
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 10.10.2023; Aktenzeichen 166 StVK 101/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 10. Oktober 2023 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 9. Januar 2023 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Nach Verbüßung von Untersuchungs- und Organisationshaft wurde der Verurteilte am 4. April 2023 im Maßregelvollzug in der Psychiatrischen Klinik L. aufgenommen.
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2023 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg die Unterbringung in der Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, die Reststrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, den Eintritt der Führungsaufsicht festgestellt und diese näher ausgestaltet. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Überprüfung sei die seit dem 1. Oktober 2023 geltende neue Rechtslage zugrundezulegen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, den Beschwerdeführer durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen, seien angesichts der fehlenden Erreichbarkeit und der ablehnenden Haltung des Beschwerdeführers zu der ihm angebotenen Behandlung nicht gegeben.
Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er im Wesentlichen moniert, die Strafvollstreckungskammer habe unzutreffend die neue, seit dem 1.10.2023 bestehende Rechtslage angewendet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 463 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO und fristgerecht erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO). Sie hat in der Sache jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug nimmt, keinen Erfolg.
Der Erörterung bedarf lediglich die Frage, welche Fassung des § 64 StGB der gem. § 67e Abs. 2 StGB durch das Landgericht zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen war.
Gem. § 67d Abs. 5 StGB hat das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB nicht mehr vorliegen.
Diese Vorschrift des § 64 StGB wurde durch das am 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26.07.2023 (BGBl. I Nr. 203) neu gefasst. Während nach § 64 a. F. StGB eine Fortdauer der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt "eine hinreichend konkrete Aussicht" voraussetzte, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen, bedarf es nunmehr "tatsächlicher Anhaltspunkte", aufgrund derer diese Erwartung gerechtfertigt ist.
Da die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers gem. § 64 StGB bereits vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig wurde, stellt sich die Frage, ob sich die Frage der Fortdauer der Vollstreckung nach altem oder neuem Recht richtet.
Der Senat erachtet unter Berücksichtigung des Wortlautes der einschlägigen Vorschriften (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter 1.), des gesetzgeberischen Willens und aufgrund systematischer Erwägungen (im Folgenden 2.) sowie nach Sinn und Zweck der Gesetzesänderung (3.) die Anwendung des § 64 StGB in der derzeit gültigen Fassung für angezeigt. Diesem Verständnis stehen auch weder das Rückwirkungsverbot (4.) noch unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Fortdauer der Unterbri...