Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Unterlassungstitel im Gewaltschutzverfahren: Vollstreckung von Ordnungsmitteln nach Fristablauf

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Ordnungsmittelbeschluss ist aufzuheben, wenn der zugrunde liegende Unterlassungstitel befristet war und die Zuwiderhandlung zwar noch vor Ablauf der Befristung begangen worden ist, die Frist aber im Zeitpunkt der Vollstreckung abgelaufen war.(Rz. 15)

 

Normenkette

FamFG § 95 Abs. 1 Nr. 4; ZPO § 890

 

Verfahrensgang

AG Cuxhaven (Beschluss vom 11.12.2012)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 17.12.2012 werden der Beschluss des AG - Familiengericht - Cuxhaven vom 11.12.2012 aufgehoben und die Anträge der Antragstellerin auf Festsetzung von Ordnungsmitteln vom 24.7.2012 und 14.9.2012 zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenlose Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Beschwerdewert: 1.000 EUR

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 5.3.2012 hat das AG dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, befristet bis zum 31.12.2012

  • die Wohnung der Antragstellerin zu betreten,
  • sich der Wohnung der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von 50 m zu nähern,
  • Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufzunehmen, ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen. Sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner einen Abstand von 50 m herzustellen.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Antragsgegner in dem vorgenannten Beschluss ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Ein Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners für eine gegen diesen Beschluss beabsichtigte Beschwerde hat der Senat (21 UF 48/12) unter dem 3.4.2012 zurückgewiesen, weil gem. § 57 FamFG Rechtsmittel gegen ohne mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Anordnungen im Gewaltschutzverfahren nicht statthaft sind.

Unter dem 24.7.2012 stellte die Antragstellerin wegen verschiedener in diesem Schriftsatz behaupteter Verstöße beim AG einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln, der dem Antragsgegner zur Stellungnahme binnen Wochenfrist übersandt worden ist.

Mit Beschluss vom 14.8.2012 hat das AG Ordnungshaft von 6 Wochen gegen den Antragsgegner verhängt. Hiergegen wendete sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 18.8.2012. Mit Beschluss vom 20.9.2012 hat der Senat (21 WF 218/12) den Beschluss des AG vom 14.8.2012 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG zurückverwiesen.

Den vom Senat im Beschluss vom 20.9.2012 aufgezeigten Bedenken an der Schuldfähigkeit des Antragsgegners folgend, hat das AG mit Beweisbeschluss vom 15.10.2012 ein entsprechendes Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.

Nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie - Forensische Psychiatrie - J. P. vom 13.11.2012, und nachdem die Antragstellerin unter dem 14.9.2012 wegen verschiedener in diesem Schriftsatz behaupteter weiterer Verstöße des Antragsgegners beim AG einen neuerlichen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gestellt hat, verhängte das AG mit Beschluss vom 11.12.2012 Ordnungshaft von 6 Wochen gegen den Antragsgegner.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde.

II. Die gem. §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Soweit das AG davon ausgeht, dass der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gem. §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 890 ZPO an sich begründet ist, bestehen hiergegen keine Bedenken.

Das AG hat die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsmittels zutreffend angenommen. Insbesondere hat das AG die Frage der Schuldfähigkeit ausführlich erörtert und ist dem schriftlichen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie - Forensische Psychiatrie - J. P. vom 13.11.2012 - welches von einer Schuldfähigkeit des Antragsgegners ausgeht - zu Recht gefolgt. Auch die Höhe der festgesetzten Ordnungshaft ist angesichts des Verhaltens des offenbar unbelehrbaren Antragsgegners nicht zu beanstanden.

Jedoch kommt eine Vollstreckung des Ordnungshaftbeschlusses nicht in Betracht, da der zugrunde liegende Unterlassungstitel vom 5.3.2012 nur bis zum 31.12.2012 befristet war und somit keine wirksame Grundlage mehr für eine Verhängung von Ordnungsmitteln besteht. Der Umstand, dass die fraglichen Zuwiderhandlungen noch zu einem Zeitpunkt begangen worden sind, in dem der Unterlassungstitel noch gültig war, ändert hieran nichts. Denn die Vollstreckungsvoraussetzungen (insbesondere ein wirksamer Unterlassungstitel) müssen auch noch im Zeitpunkt der Vollstreckung vorliegen. Das ist hier indes nicht der Fall, so dass der Ordnungshaftbeschluss aufzuheben war.

Die Kostenentsch...

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