Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung einer Kostenbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde kommt nicht in Betracht, wenn die verspätete Beschwerdeeinlegung darauf beruht, dass die rechtliche Tragweite der angefochtenen Entscheidung zunächst verkannt wurde.
2. Im Verfahren über eine sofortige Beschwerde gegen eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist dem beschwerdeführenden Angeklagten Verschulden seines Verteidigers zuzurechnen.
3. In einem freisprechenden Urteil ist eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO auch dann zu treffen, wenn ein Fall des § 469 Abs. 1 StPO vorliegt. Die Kostentscheidung nach § 469 Abs. 1 StPO ergeht unabhängig von der Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils durch gesonderten Beschluss.
Normenkette
StPO § 44 Abs. 1 S. 1, § 464 Abs. 2, § 467 Abs. 1, § 469 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 21.04.2016; Aktenzeichen 33 KLs 21/15) |
Tenor
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Juni 2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 (33 KLs 21/15) wird als unbegründet verworfen.
Die sofortige Beschwerde vom 1. Juni 2016 gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 (33 KLs 21/15) wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 wurden der Beschwerdeführer Z. B. und der Mitangeklagte O. A. freigesprochen, nachdem der Nebenkläger - das mutmaßliche Tatopfer - in der Hauptverhandlung eingeräumt hatte, die gegen die Angeklagten erhobenen und von ihm zur Anzeige gebrachten Tatvorwürfe wider besseres Wissen frei erfunden zu haben. In dem seit dem 29. April 2016 rechtskräftigen vorgenannten Urteil hat das Landgericht folgende auf § 469 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützte Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen: "Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten werden dem Nebenkläger auferlegt." Eine Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO unterblieb.
Zu einem an die Staatskasse gerichteten Antrag des Verteidigers des freigesprochenen Beschwerdeführers vom 29. April 2016 auf Erstattung der Wahlverteidigergebühren als notwendige Auslagen des Angeklagten hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hannover in ihrer Stellungnahme ausgeführt, der Beschwerdeführer könne auf der Basis der Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover keinen Erstattungsanspruch geltend machen, weil die Strafkammer verabsäumt habe, gemäß § 467 Abs. 1 StPO eine Auslagenentscheidung dahingehend zu treffen, dass die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden.
Nachdem der Verteidiger des Beschwerdeführers die Stellungnahme der Bezirksrevisorin am 17. Mai 2016 erhalten hatte, erhob er mit Schriftsatz vom 1. Juni 2016, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 und beantragte zugleich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sofern die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt worden sein sollte.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.
1. Die angefochtene Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Verkündung des Urteils am 21. April 2016, bei der er und sein Verteidiger anwesend waren, bekannt gemacht. Die Frist von einer Woche zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO begann mit dieser Bekanntmachung am 21. April 2016 (vgl. § 311 Abs. 2 StPO) und endete damit gemäß § 43 Abs. 2 StPO mit Ablauf des 28. April 2016. Die erst am 1. Juni 2016 beim Landgericht Hannover eingegangene sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils ist damit nicht fristgerecht eingelegt worden.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde kommt nicht in Betracht. Denn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt ein Fristversäumnis voraus; eine Rechtsmittelfrist versäumt im Sinne des § 44 Satz 1 StPO hat jedoch nur derjenige, der das Rechtsmittel einlegen wollte, die dafür gesetzlich vorgesehene Frist jedoch nicht eingehalten hat. Wer dagegen von einem Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch gemacht hat, war - unabhängig davon, ob ihm die Fristgebundenheit des Rechtsbehelfs bekannt war oder nicht - nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO an der Einlegung des Rechtsbehelfs "verhindert" (vgl. BGH, Beschlus...