Leitsatz (amtlich)

1. Die Haftungsquoten der Eltern eines privilegierten volljährigen Kindes können nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts auch dann bestimmt werden, wenn nur ein Elternteil über Einkünfte oberhalb dieses Betrages verfügt, jedoch dieser nach seinen Einkünften insgesamt den Kindesunterhalt erbringen kann.

2. Für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung sind die steuerlichen Angaben aus der Anlage V zu geltend gemachten Werbungskosten unterhaltsrechtlich zu bereinigen, sodass u.a. erfolgte Pauschalabschreibungen unberücksichtigt bleiben, jedoch zugleich Zins- und Tilgungsleistungen auf Darlehen zur Finanzierung der Immobilie bis zur Höhe der erzielten Mieteinnahmen abzusetzen sind. Eine Verrechnung überschießender Tilgungsleistungen für verschiedene Immobilien erfolgt indessen nicht (vgl. BGH FamRZ 2022, 434 = NZFam 2022, 208).

3. Die Zahlung einer Abgeltung für in den Vorjahren nicht in Anspruch genommenen Urlaub ist unterhaltsrechtlich nicht als überobligatorisches Einkommen anzusehen, wenn der Urlaub krankheitsbedingt sowie aufgrund einer nachfolgenden Freistellung im Rahmen einer Altersteilzeitregelung nicht in Anspruch genommen werden konnte (Abgrenzung zu BGH FamRZ 2012, 1038; NJW-RR 1992, 1282).

 

Verfahrensgang

AG Tostedt (Aktenzeichen 15 F 21/22)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 22. Juni 2022 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tostedt teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der am 28. August 2020 vor dem Amtsgericht Tostedt protokollierte Vergleich (14 F 286/18 UK) wird unter Abweisung des weitergehenden Antrags dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller in dem Zeitraum vom 7. September bis zum 31. Dezember 2021 zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Antragstellerin nicht verpflichtet ist und von Januar bis Mai 2022 zur Zahlung von Volljährigenunterhalt in Höhe von monatlich 460 EUR, im Juni 2022 in Höhe von 474 EUR, von Juli bis September 2022 in Höhe von monatlich 489 EUR sowie ab Oktober 2022 in Höhe von monatlich 517 EUR, jeweils zum dritten Werktag eines Monats im Voraus verpflichtet ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt von den Kosten des Beschwerdeverfahrens 75% und die Antragsgegnerin 25%. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster Instanz bleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.658 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Abänderungsverfahren um die Zahlung von Volljährigenunterhalt.

Der Antragsteller ist der Vater der am 7. September 2021 volljährig gewordenen Antragsgegnerin. Die Ehe des Antragstellers mit der Mutter der Antragsgegnerin ist geschieden. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Tostedt am 28. August 2020 einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin gegenüber in Abänderung der Urkunde des Notars N. vom ... 2006 (Urkundenrollen Nr. ...) und in Abänderung des vorläufig geregelten Unterhalts im Vergleich vom ... 2019 mit Wirkung ab September 2019 zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes verpflichtet ist (...).

Nachdem der Antragsteller im September 2021 an die Antragsgegnerin Kindesunterhalt nicht mehr geleistet hatte, hat die Antragsgegnerin Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ergriffen, diese aber im Januar 2022 zurückgenommen. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom ... Januar 2022 aufgefordert, den Stand ihrer Ausbildung mitzuteilen, über ihre Einkommensverhältnisse sowie diejenigen ihrer Mutter Auskunft zu erteilen und die Auskünfte zu belegen.

Die Antragsgegnerin besucht weiterhin, voraussichtlich bis Juli 2023, die allgemeinbildende Schule auf dem Gymnasium in H. Sie verfügt mit Ausnahme des Kindergeldes nicht über Einkünfte. Ihre Mutter war bis zum 31. Mai 2022 in einem geringfügigen Umfang erwerbstätig und erhält seither Krankengeld. Sie verfügt darüber hinaus über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Immobilien B. 27, B. 25c und S. 101 in R. Auf zwei Darlehen zur Finanzierung der Objekte zahlt die Mutter der Antragsgegnerin monatliche Raten von 912,34 EUR sowie 1.025 EUR.

Der Antragsteller ist bei der Firma A. ... GmbH angestellt. Sein Angestelltenverhältnis ist aufgrund des Altersteilzeitvertrages vom 31. Januar 2019 mit Wirkung ab Juni 2019 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt worden. Seit dem 1. Dezember 2021 befindet er sich in der Freistellungsphase, die am 31. Mai 2024 enden wird. Bis Juli 2021 wurde dem Antragsteller Krankengeld von seiner Krankenkasse gewährt. Gegen die Versagung von fortdauernden Leistungen bis November 2021 hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist, sodass er bis November 2021 allein über Krankentagegeld seines Arbeitgebers von monatlich rund 800 EUR verfügte.

Mit dem am 1. Februar 2022 beim ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?