Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert der anwaltlichen Terminsgebühr bei Teilrücknahme der Klage vor der mündlichen Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert ist für die Gebühren des Rechtsanwalts nach § 32 Abs. 1 RVG nur maßgebend, soweit der Gegenstand der gerichtlichen mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist.
2. Wird die Klage vor der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen, so berechnet sich die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 RVG VV jedenfalls dann nicht nach dem ursprünglichen Wert, sondern nach dem verbleibenden Gegenstand der Klage, wenn die Rücknahme vor dem Aufruf der Sache wirksam geworden ist und dem Gericht bei der Verhandlung bekannt war.
3. Für eine statthafte, aber aus anderen Gründen unzulässige Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts gilt die Gebührenfreiheit nach § 68 Abs. 3 GKG.
Normenkette
GKG § 68 Abs. 3; RVG-VV Nr. 3104; RVG § 32 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 20.12.2022; Aktenzeichen 9 O 8/22) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. Dezember 2022 wird verworfen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Motorenherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Schadensersatz in Anspruch.
Die vormalige Klägerin hat zunächst - unter Angabe eines vorläufig geschätzten Streitwerts von 14.298,01 EUR - Zahlung von 24.033,61 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, Zahlung von Finanzierungskosten in Höhe von 8.071,96 EUR und von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 1.732,64 EUR, jeweils nebst Zinsen, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs begehrt. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2022 hat sie die Anträge geändert und nunmehr - unter Angabe eines vorläufig geschätzten Streitwerts von 16.452,83 EUR - Zahlung von 28.600 EUR abzüglich Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, Finanzierungskosten in Höhe von 8.043,83 EUR, Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 1.732,64 EUR, jeweils nebst Zinsen, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden begehrt. Nach einem Parteiwechsel auf Klägerseite hat der jetzige Kläger mit Schriftsatz vom 8. November 2022, beim Landgericht eingegangen am selben Tage um 8:38 Uhr, die Anträge erneut geändert; er hat nunmehr beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 15 Prozent des Kaufpreises von 28.600 EUR, somit mindestens 4.290 EUR, einen weiteren Betrag von mindestens 15 Prozent der Finanzierungskosten von 8.043,83 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen. Diesen Antrag hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2022 gestellt. Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. Dezember 2022 abgewiesen.
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 hat das Landgericht den Streitwert bis zum 30. Mai 2022 auf 14.298,01 EUR, bis zum 7. November 2022 auf 16.452,83 EUR und für die Zeit danach auf 5.496,57 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die aus eigenem Recht eingelegte Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten (künftig: Beschwerdeführerin). Diese hält die gestaffelte Streitwertfestsetzung für unzulässig.
Sie beantragt,
den Streitwert in Höhe von 16.452,83 EUR festzusetzen.
Hilfsweise beantragt sie,
den Wert der Gebühren des Rechtsanwalts gemäß § 32 Abs. 2 RVG auf 16.452,83 EUR festzusetzen.
Sie ist der Ansicht, der vom Gericht festgesetzte Streitwert sei gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich. Sie sei durch die Streitwertfestsetzung beschwert, weil sich infolge der gestaffelten Streitwertfestsetzung die anwaltliche Terminsgebühr aus einem Gegenstandswert von nur 5.496,57 EUR berechne, während bei einheitlicher Festsetzung eines Streitwerts von 16.452,83 EUR dieser nach § 32 Abs. 1 RVG auch für die Terminsgebühr maßgeblich wäre.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 2. Februar 2023 entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
II. Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist unzulässig. Zwar ist die aus eigenem Recht eingelegte Streitwertbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Streitwertbeschluss nicht beschwert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Landgericht vorgenommene gestaffelte Streitwertfestsetzung zutreffend ist (vgl. hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 19. Juli 2022 - 12 W 367/22, juris Rn. 4; OLG Bremen, Beschluss ...