Normenkette

BGB §§ 2077-2078

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 12 T 6/03)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Beschluss insoweit abgeändert wird, als das LG den Antrag der Beteiligten zu 1)–3) auf Erteilung eines Erbscheins vom 30.7.2002 – richtig: 1.8.2002 – (Urkundenrollen-Nr. 244/2002 des Notars …) zurückgewiesen und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden hat.

Die Beteiligten zu 1)–3) tragen die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Wert der weiteren Beschwerde für die Beteiligten zu 1)–3) je 13.135,15 Euro.

Der Wert der Beschwerde für das Verfahren des LG Hannover wird auf 65.675,73 Euro festgesetzt, die Wertfestsetzung in dem angefochtenen Beschluss mithin geändert.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG), in der Sache jedoch unbegründet.

1. Das LG ist ohne Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 546 ZPO) davon ausgegangen, dass der Antrag der Beteiligten zu 1)–3) vom 23.7.2002 auf Erteilung eines Erbscheins unbegründet ist, da der Beteiligte zu 6) entspr. der Bestimmung im notariellen Testament der Erblasserin vom 1.11.1995 Miterbe zu 1/2 geworden ist.

a) Rechtsfehlerfrei hat das LG angenommen, dass die Unwirksamkeit der testamentarischen Einsetzung des Beteiligten zu 6) nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB folgt. Hiernach ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird. Entsprechendes gilt für die Auflösung eines Verlöbnisses vor dem Tod des Erblassers (§ 2077 Abs. 2 BGB). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau kommt nicht in Betracht (BayObLG v. 6.9.1983 – BReg. 1Z 53/83, MDR 1984, 146 = FamRZ 1983, 1226 [1228 f.]; Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl., § 2077 Rz. 5; Leipold in MünchKomm, BGB, § 2077 Rz. 11).

Die Regelung des § 2077 BGB soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen zwischen Erblasser und Bedachtem mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz enthält insoweit eine dispositive Auslegungsregel entspr. dem von ihm vermuteten wirklichen Willen des Erblassers. Für den Regelfall misst § 2077 BGB einer solchen letztwilligen Verfügung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe oder des Verlöbnisses getroffen zu sein (so auch BGH, Beschl. v. 2.4.2003, FamRZ 2003, 871, zur Unanwendbarkeit des § 2077 BGB auf die Erbeinsetzung von Schwiegerkindern). Während die Ehe oder das sie vorbereitende Verlöbnis im Allgemeinen auf eine lebenslange familienrechtliche Bindung ausgelegt sind (vgl. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB), wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau i.d.R. ohne rechtliche Bindung und ohne bestimmte Dauer eingegangen. Letztwillige Zuwendungen an den Lebenspartner können hier auf unterschiedlichen Motivationen beruhen, zumal in diesem Verhältnis nicht die bei einer Ehe bestehenden Versorgungsgesichtspunkte zum Tragen kommen. Es fehlt deshalb an einer vergleichbaren Lebenserfahrung, wie sie der Vermutungswirkung des § 2077 Abs. 1 S. 1, § 2077 Abs. 2 BGB zugrunde liegt.

Hinzu kommt, dass es bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedene Gestaltungsformen hinsichtlich der Art und Dauer des Zusammenlebens gibt, bei denen es sowohl hinsichtlich ihrer Begründung als auch ihrer Beendigung an klaren und formalisierten Anknüpfungskriterien fehlt, wie sie bei der Ehe hinsichtlich Eingehung und Beendigung vorhanden sind. Wegen der Vielgestaltigkeit derartiger Beziehungen würde die Anwendung der Auslegungsregel des § 2077 BGB in der praktischen Anwendung vielfach zu nicht unerheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen.

An der fehlenden Vergleichbarkeit mit der Ehe und dem Verlöbnis hat sich auch dadurch nichts geändert, dass durch § 10 Abs. 5 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) die Vorschrift des § 2077 Abs. 1 und 3 BGB für entspr. anwendbar erklärt wurde. § 1 Abs. 1 S. 1 LPartG betrifft lediglich die Lebenspartnerschaft zweier Personen gleichen Geschlechts, wenn diese persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Hieraus folgt nicht, dass § 2077 BGB dann ebenfalls bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau entsprechend angewendet werden müsste. Das LPartG trägt vielmehr lediglich dem Umstand Rechnung, dass zwei Personen des gleichen Geschlechts weder eine Ehe noch ein Verlöbnis eingehen können. Durch die Möglichkeit der Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG soll Personen gleichen Geschlechts die Möglichkeit eröffnet werden, eine auf Lebenszeit angelegte Partnerschaft in rechtlich formalisierter Weise begründen zu können. Daneben gibt es auch weiterhin Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Personen, bei denen die Partner eine Formalisierung ihrer Rechtsbeziehungen nicht wünschen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge