Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrektur einer vereinbarten Morgengabe nach dem deutschen ordre public wegen wirtschaftlicher Überforderung; wirksamer Verzicht auf vereinbarte Morgengabe anlässlich islamischer Scheidung
Leitsatz (amtlich)
Die wirtschaftliche Überforderung des Ehemannes durch eine versprochene Morgengabe gebietet nicht deren Korrektur nach dem deutschen ordre public.
Die Begründung deutschen Unterhalts- und Scheidungsstatuts während der Ehe kann eine Anpassung des Morgengabeversprechens nach § 313 BGB gebieten, soweit sich die Durchsetzung des Versprechens nach deutschem Recht richtet.
Die zur islamischen Scheidung abgegebene Erklärung, auf die Morgengabe zu verzichten, lässt den Anspruch darauf erlöschen.
Normenkette
BGB § 313; EGBGB Art. 6, 14
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe teilweise versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - C. vom 7. November 2022 wird zurückgewiesen.
Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Verpflichtung, eine bei Heirat vereinbarte Morgengabe auszuzahlen.
Die Beteiligten stammen aus Afghanistan. Sie schlossen dort am 14. Januar 2007 vor einem Geistlichen die Ehe, die gemäß Heiratsurkunde vom 3. September 2009 staatlich registriert worden ist. In dem vom Geistlichen 2007 ausgestellten Dokument ist als Mitgift eine Leistung von 300 Bahar Azadi Goldmünzen genannt, die einen Wert in Höhe von rund EUR 130.000,- haben.
Seit 2016 halten sich die Beteiligten, zwischen denen ein Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht C. anhängig ist, dauerhaft in Deutschland auf, wo der Antragsgegner als Busfahrer tätig ist. Am 15. September 2020 trafen sich die Beteiligten - gemeinsam mit einer von der Antragstellerin mitgebrachten Zeugin - in einer Moschee in Hamburg. In einem dort errichteten, von den Beteiligten, der Zeugin und dem dortigen Mullah, Herrn H., unterzeichneten Schriftstück heißt es übersetzt:
"Da bezüglich der Ehe zwischen Herrn A. B. und Frau M. E. keine Einigung erreicht werden konnte, haben die beiden mir (A. H.) die Vollmacht erteilt, bei Verzicht auf die Mitgift, die religiöse Rede zur Legitimation der Scheidung auszusprechen. Ich habe diese Rede im Beisein von Zeugen ausgesprochen. Ich wünsche ihnen alles Gute."
Die Antragstellerin ist der Meinung, der Antragsgegner schulde ihr weiterhin die Mitgift. Mit Erklärung vom 15. September 2020 habe sie nur nach islamischem, nicht aber nach deutschem Recht auf die Morgengabe verzichtet. Dazu behauptet sie, der Mullah habe die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner sie weiterhin unterstützen müsse.
Sie beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr 300 Goldmünzen der Sorte "Bahare-Azadi" zu übereignen,
für den Fall, dass der Antragsgegner die 300 Goldmünzen nach der beschlossenen Übergabeverpflichtung nicht binnen einer Frist von einem Monat ab Rechtsraft dieser Entscheidung an die Antragstellerin übereignet, ihn zu verpflichten, an die Antragstellerin EUR 130.020,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
und hat insofern Verfahrenskostenhilfe begehrt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Er verweist auf seine beschränkten finanziellen Verhältnisse, die ihn - schon zum Zeitpunkt der Heirat - daran gehindert hätten und auch weiter daran hindern würden, die Goldmünzen zu zahlen. Das Mitgiftversprechen sei daher als überfordernde Verbindlichkeit unwirksam; zudem verweist er auf den in der Moschee erklärten Verzicht auf die Mitgift.
Mit Beschluss vom 7. November 2022 hat das Amtsgericht der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt, soweit ihr Antrag über die Übereignung von 17 Goldmünzen, entsprechend EUR 6.858,24 hinausgeht. Wesentliche Grundzüge des deutschen Rechts geböten es, dass die Morgengabe nicht den nach den finanziellen Verhältnissen der Beteiligten üblichen Betrag übersteige. Die Verpflichtung sei daher herabzusetzen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie weiterhin Verfahrenskostenhilfe für ihren vollständigen Antrag begehrt.
II. Die nach den §§ 113 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag der Antragstellerin ist jedenfalls in dem Umfang, in dem der Antragstellerin die von dieser nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt worden ist, ohne Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Dabei mag im Ergebnis dahinstehen, ob der Umfang der vereinbarten Morgengabe ihre vollständige gerichtliche Durchsetzung hindert (dazu 1.). Denn die Antragstellerin hat am 15. September 2020 auf die vereinbarte Morgengabe verzichtet, so dass ihr Anspruch erloschen ist (dazu 2.).
1. Der Anspruch auf Übereignung der versprochenen Morgengabe richtet sich vorliegend nach deutschem, nicht aber nach afghanischem Recht. Als Funktion der im islamischen Rechtskreis üblichen Morg...