Leitsatz (amtlich)
Der Erblasser kann die Vererbung der Nacherbanwartschaft beschränken.
Normenkette
BGB § 2108 Abs. 2 S. 1 Hs. 3
Verfahrensgang
AG Syke (Beschluss vom 24.06.2015; Aktenzeichen 6 VI 273/78) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Die zur Begründung des Antrags auf Erteilung des Erbscheins, der die Beteiligten zu 2 bis 5 seit dem Tode M. S. am 30.12.2014 als Erben des Erblassers zu je einem Viertel ausweist, erforderlichen Tatsachen sind für festgestellt zu erachten (§ 2359 BGB).
I. Die Beteiligten zu 1 und 6 haben den Erblasser nicht anstelle ihres am 8.6.2000 zwischen Erb- und Nacherbfall aus dem Leben geschiedenen Vaters M. S. zu je einem Zehntel beerbt.
1. Sie haben dessen Nacherbanwartschaft nach dem Erblasser, die dieser mit dessen Tode am ... erworben hatte, nicht geerbt (§ 2108 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Der Anfall dessen Erbschaft an sie, zu welcher die Nacherbanwartschaft gehört, gilt als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Sie haben die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen.
2. Die Beteiligten zu 1 und 6 sind nicht nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB in der Weise an die Stelle ihres weggefallenen Vaters getreten, als sie diesen kraft Gesetzes beerbt hätten. Die Tatsache, dass der Erblasser ihren Vater als einen seiner Abkömmlinge bedacht hat, reicht wegen der Besonderheit, dass er ihn als Mitnacherben eingesetzt hat, zur Anwendung der Auslegungsregel nicht aus (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2069 Rz. 6), und Tatsachen für die Annahme im Wege der Einzelfallauslegung, dass der Erblasser die Beteiligten zu 1 und 6 als Ersatznacherben anstelle ihres Vaters berufen wollte, liegen nicht vor. Die Ersatznacherbfolge wäre nämlich bereits aufgrund der vorrangigen Bestimmung des § 2108 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB eingetreten bei der im Wege individueller Auslegung des Testamentes gerechtfertigten Annahme, dass der Erblasser die Vererbung des Nacherbanwartschaftsrechts auf die Abkömmlinge seiner als Nacherben eingesetzten Abkömmlinge beschränken wollte (§ 2108 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 BGB). Dafür spricht, dass er seinen gesamten Nachlass zu gleichen Teilen nur seinen Abkömmlingen zugewandt hat, und wird bekräftigt durch die Angabe der Beteiligten zu 2 (Seite 2 deren Erbscheinsantrags vom 13.3.2015 - Bl. 29 d.A.), "Wille des Erblassers (sei gewesen), dass sein Vermögen letztlich bei seinen Kindern verbleib(e); er (habe) das Vermögen in der Familie halten (wollen)." Trotz der Formulierung "sofern" statt "soweit" in der letztgenannten Vorschrift kann der Erblasser die Vererbung der Nacherbanwartschaft nicht nur ausschließen, sondern auch auf bestimmte Personen oder einen bestimmten Personenkreis beschränken. "Sofern" bezieht sich auf den anderweitigen Willen des Erblassers gegenüber der Regel des § 2108 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB, der nicht teilbar ist, aber inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet sein kann (vgl. auch: Soergel/Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl., § 2108 Rz. 9a).
II. Die Beteiligte zu 1 kann nicht ungeachtet ihrer Erbenstellung geltend machen, es erschließe sich nicht, wieso die Erbteile der Kinder des Erblassers, die den Nacherbfall erlebt hätten, sich auf je ein Viertel erhöhten. Sie ist insoweit durch den angefochtenen Beschluss nicht in ihren Rechten beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG), abgesehen davon, dass die Annahme des AG zutrifft. Der Erbteil des Vaters der Beteiligten zu 1 und 6 ist den Beteiligten zu 2 bis 5 angewachsen (§ 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vater der Beteiligten zu 1 und 6 ist vor dem Erbfall (in diesem Falle dem Nacherbfall) weggefallen, ohne dass der Erblasser für diesen Fall die Anwachsung ausgeschlossen hat (§ 2094 Abs. 3 BGB). Dabei ist nicht entscheidend, welche Personen zu Erben des Vaters der Beteiligten zu 1 und 6 berufen sind, nachdem dessen Mutter, Kinder und Geschwister die Erbschaft nach ihm ausgeschlagen haben (§ 1953 Abs. 2 BGB). Denn diese Personen sollten, wie ausgeführt, nach dem Willen des Erblassers nicht in den Genuss der Vererblichkeit des Nacherbanwartschaftsrechts kommen.
Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Die Pflicht, die Gerichtskosten zu tragen, folgt aus dem Gesetz; die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten kam nicht in Betracht, weil niemand außer der Beteiligten zu 1 sich am Beschwerdeverfahren beteiligt hat.
Die Entscheidung zum Beschwerdewert beruht auf § 36 Abs. 1, § 61 Abs. 1 GNotKG. Maßgebend war das Interesse der Beteiligten zu 1, zu einem Zehntel als Erbin des mit einem reinen Wert von 75.000 EUR mitgeteilten Nachlasses (Seite 4 des Erbscheinsantrags vom 19.2.2015 - Bl. 22 d.A.) ausgewiesen zu sein, abzgl. eines Drittels wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins (nur Legitimationswirkung).
Fundstellen
Haufe-Index 8387159 |
FamRZ 2016, 582 |
ZEV 2015, 547 |
ZEV 2016, 27 |
ErbR 2015, 640 |
NotBZ 2016, 146 |