Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, ob ein Anwaltsnotar, dem durch Vertrag die Teilnahme am uneingeschränkten automatisierten Abrufverfahren zur Grundbucheinsicht als Notar gestattet ist, sich vor Einholung des Grundbuchauszugs davon vergewissern muss, ob der Grundbuchauszug für eine notarielle Tätigkeit erforderlich ist oder eine solche Tätigkeit zumindest beabsichtigt ist, was auch der Fall ist, wenn die Einholung des Grundbuchauszuges einer notariellen Handlung dienen kann. Der Senat lässt offen, ob eine notarielle Tätigkeit bereits dann vorliegt, wenn der Anwaltsnotar aufgrund des Auftrags eines Grundstückseigentümers einen Grundbuchauszug mittels des uneingeschränkten automatisierten Abrufverfahrens einholt, ohne dass die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.
Normenkette
BNotO §§ 14, 24; GBO § 133; GBV § 43
Verfahrensgang
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Präsidenten des LG Stade vom 12.11.2009 und die Beschwerdeentscheidung des Antragsgegners vom 25.2.2010 werden aufgehoben.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I. Der Notar begehrt mit seinem Antrag die Aufhebung einer Disziplinarverfügung und der sie bestätigenden Beschwerdeentscheidung wegen eines ihm vorgeworfenen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 BNotO durch den Fehlgebrauch des automatisierten Grundbuchabrufverfahrens.
Durch Vereinbarung vom 21. bzw. 23.6.2005 hat der Antragsteller mit dem Antragsgegner vereinbart, dass sich der mit dem Mitsozius, Notar A. B., geschlossene Vertrag über die Einrichtung eines uneingeschränkten automatisierten Abrufverfahrens auch auf ihn erstreckt. Als Vertragspartner ist der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Notar bezeichnet; die Tätigkeit als Rechtsanwalt ist in dem Vertrag nicht enthalten. Gemäß Ziff. 1 des Vertrages wird gem. § 133 Abs. 2 S. 1 GBO festgestellt, dass der Teilnehmer zu den nach § 133 Abs. 2 S. 2 GBO zur Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren berechtigten Stellen gehört.
Am 13.5.2009 rief der dem Notar bekannte Steuerberater S. den Antragsteller an und bat für seine Klientin, Frau A. M., um Übersendung eines Grundbuchauszuges für ein Grundstück in A.; Frau M. benötige den Grundbuchauszug für ein Finanzierungsgespräch mit der X.-Bank wegen der Verlängerung eines Darlehens; die Angelegenheit sei eilbedürftig. Frau M. ist zu 3/4 Miteigentümerin dieses Grundstückes. Der Notar kannte die näheren Verhältnisse sowie die Steuerberatertätigkeit des Herrn S. für Frau M. aufgrund einer Vorbefassung im Zusammenhang mit einer notariellen Urkunde vom 28.12.2005. Frau M. ist dem Notar nach dessen Bekunden persönlich bekannt. Der Notar hat für Frau M. sodann einen Grundbuchauszug mit Hilfe des uneingeschränkten automatisierten Abrufverfahrens eingeholt bzw. einholen lassen. Eine grundbuchliche Absicherung der (Verlängerung der) Darlehensgewährung war indes nicht notwendig. Es gab bzw. gibt bislang keinen notariellen Beurkundungs- oder Beglaubigungsauftrag. Der Notar hat für die Grundbucheinsicht mit Schreiben vom 2.9.2009 eine Kostennote gem. § 147 Abs. 1 KostO erstellt.
Mit der Disziplinarverfügung vom 12.11.2009 hat der Präsident des LG Stade gegen den Antragsteller einen Verweis wegen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BNotO verhängt. Dem Notar wurde vorgeworfen, für andere als die in § 43 Abs. 2 GBV geregelten Zwecke Einsicht in das automatisierte Grundbuch genommen zu haben. Bei der Anforderung des Grundbuchauszuges für Frau M. habe es sich nicht um eine Tätigkeit in einer notariellen Angelegenheit gehandelt. Es sei auch nicht nachträglich zu einem notariellen Amtsgeschäft gekommen. Vielmehr habe es sich um eine rein private Angelegenheit von Frau M. gehandelt, mit der der Antragsteller als Notar erkennbar nicht befasst werden sollte. Es komme nicht darauf an, dass Frau M. als Eigentümerin Einsicht in das Grundbuch nehmen könne, ohne ein berechtigtes Interesse darlegen zu müssen. Für die Entscheidung hierüber sei der Notar nicht zuständig; vielmehr obliege dies dem Grundbuchrechtspfleger bzw. gem. § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Der Notar sei nicht befugt, über normale Einsichtsersuchen zu befinden.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde vom 26.11.2009 hat der Antragsgegner mit der Entscheidung vom 25.2.2010 zurückgewiesen. Bei dem Vorgehen des Notars handele es sich nicht um eine bloße Verletzung des Vertrags vom 21./23.6.2005, sondern um eine Verletzung der notariellen Amtspflichten. Es habe weder ein berechtigtes Interesse des Notars vorgelegen noch könne dieses dadurch ersetzt werden, dass Frau M. als Eigentümerin einen Grundbuchauszug begehrt habe. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liege mangels Eingriff in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit nicht vor. Jedenfalls wäre ein solcher Eingriff durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig. Hiergegen hat der Notar mit dem Schriftsatz vom 24.3.2010 den Antrag auf Entscheidung des Senats für Notarsach...