Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei unbekanntem Haupttäter
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Identität des Haupttäters unbekannt ist, kann eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Betracht kommen. Dies setzt aber voraus, dass sich die vorsätzliche Begehung der Haupttat auf andere Weise feststellen lässt. Der Umstand, dass die Feststellung einer Steuerhinterziehung in der Regel aber die Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen erfordert, rechtfertigt andererseits nicht, das für eine strafrechtliche Verurteilung notwendige Beweismaß bei diesem Delikt gegenüber anderen zu reduzieren.
Normenkette
StGB § 203; StPO §§ 261, 27; FGO §§ 96, 369
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten der sofortigen Beschwerde und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit Anklage vom 17. Dezember 2013 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Steuerhinterziehung in 8 Fällen, versuchte Steuerhinterziehung in 4 Fällen sowie Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 9 Fällen zur Last gelegt. Die Wirtschaftsstrafkammer hat das Hauptverfahren nur hinsichtlich der Anklagepunkte der Steuerhinterziehung und der versuchten Steuerhinterziehung eröffnet, hinsichtlich der Anklagepunkte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hat sie die Eröffnung des Hauptverfahrens hingegen abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
1. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten konkret vor, in der Zeit zwischen 2007 und 2013 als selbstständiger Schrottplatzbetreiber Gutschriften für die Anlieferung von Altmetallen an tatsächlich nicht leistende Personen (sogenannte Rechnungsschreiber) erstellt zu haben, wodurch es möglich gewesen sei, dass die Identität der tatsächlich wirtschaftlich leistenden Personen unbekannt blieb, diesen die Erlöse und Umsätze nicht zugeordnet werden konnten und in der Folge auch gegenüber ihren Finanzämtern nicht erklärt, sondern der Besteuerung entzogen worden seien, was der Angeklagte gewusst und billigend in Kauf genommen habe. Im Zuge der Ermittlungen konnten nur die vorgeschobenen Rechnungsschreiber ermittelt werden, die tatsächlich leistenden Hintermänner sind jedoch unbekannt geblieben. Aufgrund zahlreicher Indizien geht die Staatsanwaltschaft jedoch davon aus, dass die tatsächlich auf den Gutschriften genannten Personen nicht die tatsächlich leistenden Personen waren und dass der Angeklagte, der selbst zuvor bereits einmal in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren eingeräumt hatte, als ein solcher Rechnungsschreiber tätig geworden zu sein, hierum auch wusste. Des Weiteren nimmt die Staatsanwaltschaft an, dass aufgrund der nachweisbaren Verschleierung der Ablieferung durch das Einsetzen dritter Personen als Abrechnende eindeutig davon auszugehen sei, dass eine ordnungsgemäße Versteuerung der Ablieferungserlöse durch die tatsächlichen Lieferanten in keinem der angeklagten Fälle erfolgt sei und insofern der Angeklagte Beihilfe zu Steuerhinterziehungen der Hintermänner geleistet habe.
2. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, soweit dem Angeklagten Beihilfe zur Steuerhinterziehung zur Last gelegt worden ist. Insoweit bestehe kein hinreichender Tatverdacht, weil nach dem vorliegenden Ermittlungsergebnis in der Hauptverhandlung die Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat i. S. des § 27 StGB nicht festzustellen sein werde. Da weder die Namen, noch Wohnsitze der mutmaßlichen Haupttäter bekannt geworden seien, seien weder die zuständigen Finanzämter bestimmbar, noch sei feststellbar, ob es tatsächlich zu Steuerverkürzungen oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile gekommen sei. Weder die Einlassung des Angeklagten, noch die bei ihm beschlagnahmten Geschäftsunterlagen, noch die Aussagen der vorgeschobenen Rechnungsschreiber enthielten Hinweise auf die Identität der tatsächlichen Lieferanten des Altmetalls. Selbst wenn sich in der Hauptverhandlung aufgrund von Zeugenaussagen Hinweise auf die Identitäten der Haupttäter ergeben sollten, würde dies lediglich zu einem neuen Ermittlungsansatz führen, dessen Ergebnis zeitlich und inhaltlich völlig offen wäre. Das Hauptverfahren müsste zur Durchführung der dann erforderlichen Ermittlungen ausgesetzt werden. Wenn aber bereits während des Zwischenverfahrens die begründete Annahme bestehe, dass die Haupttat entweder gar nicht oder erst nach Durchführung weiterer umfangreicher Ermittlungen unter Aussetzung des Verfahrens feststellbar wäre, sei die Eröffnung des Hauptverfahrens von vornherein abzulehnen.
Das derzeitige Ermittlungsergebnis rechtfertige die Annahme hinreichenden Tatverdachts wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung indes nicht, weil es lediglich möglich erscheine, dass Steuerhinterziehungen in einem bestimmten Umfang begangen worden seien, die Haupttäter aber nicht ermittelt und ihre Taten daher strafrechtlich auch nicht gewürdigt...