Leitsatz (amtlich)
Maßgebend für die Annahme einer Zwangsausübung im Straßenverkehr i.S.v. § 240 StGB sind insbesondere die Streckenlänge, die Intensität und die Dauer der Zwangsausübung.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts E. zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30,- EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er auf die Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Den Feststellungen zufolge befuhr der Angeklagte am 23. 11. 2005 gegen 15.50 Uhr mit seinem LKW MAN die Bundesstraße 3 zwischen D. und dem E. Kreuz in Richtung H.. Auf dem Teilstück zwischen der Abfahrt zur Ortschaft B. und der Ortschaft Ba. näherte sich der Angeklagte zweimal ohne den erforderlichen Sicherheitsabstand dem vor ihm fahrenden, vom Zeugen S. geführten PKW Ford. Er wollte ihn zu schnellerem Fahren veranlassen, da er den PKW wegen Gegenverkehrs nicht überholen konnte. Als ihm das Überholen schließlich am E. Kreuz gelang, fuhr er stark nach rechts und scherte sehr knapp vor dem PKW ein, sodass der Zeuge seinen PKW abbremsen und die Geschwindigkeit deutlich verringern musste.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen versuchter Nötigung nicht.
Zwar kann auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vorliegen, wenn ein PKW-Führer durch den Einsatz des von ihm geführten Fahrzeugs ein besonderes Hindernis und damit die vom Nötigungstatbestand geforderte physische Einwirkung schafft und sich dabei nicht auf seine Anwesenheit und die damit verbundene psychische Zwangswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer beschränkt (BayObLG, NZV 2001, 527, 528).
Diesen Voraussetzungen genügt jedoch nur ein Verhalten, das nach Intensität, Dauer und allgemeiner Verkehrslage besondere Gefährdungsmomente begründet, die auf Grund einer Gesamtwürdigung im Einzelfall die Schwelle zu einem strafbaren Verhalten überschreiten. Einzelheiten dazu teilt das angefochtene Urteil nicht mit, insbesondere nicht die Länge der Strecke, auf der sich die geschilderten Vorgänge abgespielt haben, nicht den Abstand des Fahrzeuges des Angeklagten zum Fahrzeug des Zeugen S., nicht die Dauer des dichten Auffahrens. Maßgebend für die Beurteilung einer Zwangsausübung im Straßenverkehr sind aber insbesondere die Streckenlänge, die Intensität und die Dauer einer Zwangsausübung. Kurzes Bedrängen eines Aufschließenden oder andere kurzfristige Behinderungen, selbst wenn diese verkehrswidrig oder demonstrativ erfolgen, stellen noch keine Nötigung im Sinne des Gesetzes dar (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2005 - 3 Ss 304/05 -; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 240 Rdnr. 15a).
In Abgrenzung zu bloßen Verkehrsordnungswidrigkeiten müssen vielmehr nach Verkehrsgeschwindigkeit, Zeitdauer, Wegstrecke, Verkehrslage, Motivation des Angeklagten besondere Umstände festgestellt sein, die erst die Annahme einer planmäßigen, länger währenden Behinderung ohne vernünftigen Grund zulassen (OLG Stuttgart, NZV 1991, 119, OLG Düsseldorf, NZV 2000, 301 f., Voß-Broemme, NZV 1988, 2 ff.).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es stellt im Wesentlichen nur auf die im zweimaligen zu dichten Auffahren liegende Intensität des Verhaltens ab, nicht auf notwendige weitere Umstände, um eine strafbare Nötigung anzunehmen. Soweit eine Gewaltausübung offenbar in dem - verkehrswidrigen - Wiedereinscheren des Angeklagten im Anschluss an den Überholvorgang liegen könnte, fehlt es an jeglichen Feststellungen zur Verkehrssituation und zur subjektiven Tatseite.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Verhalten des Angeklagten möglicherweise auch unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit (§§ 1, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1, 4 StVO) zu prüfen sein könnte.
Fundstellen