Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des Rechtsanwalts, der eine Partei und zugleich deren Streithelfer vertritt
Leitsatz (amtlich)
Vertritt der Rechtsanwalt sowohl den Beklagten als auch dessen Streithelfer ist gebührenrechtlich von derselben Angelegenheit auszugehen, wenn ein innerer Zusammenhang im Sinne eines einheitlichen von dem Rechtsanwalt zu prüfenden Lebenssachverhalt auszugehen ist.
Normenkette
RVG §§ 7, 15
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 29.10.2013; Aktenzeichen 4 O 145/11) |
Tenor
Die am 1.11.2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten und des Streithelfers vom gleichen Tag gegen den am 29.10.2013 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der
4. Zivilkammer des LG Hannover vom 18.10.2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte und der Streithelfer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.720,80 EUR.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten und des Streithelfers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Da in dem Kostenfestsetzungsbeschluss die "von dem Kläger an die Beklagte und den Streitverkündeten zu erstattenden Kosten" insgesamt mit 2.175,60 EUR festgesetzt wurden, sind die Beklagte und ihr Streithelfer als Mitgläubiger i.S.d. § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Die sofortige Beschwerde vom 1.11.2013 ist daher als einheitliche Beschwerde sowohl der Beklagten als auch des Streithelfers auszulegen, zumal der Prozessbevollmächtigte in dem Beschwerdeschreiben nicht erklärt hat, in wessen Namen er die sofortige Beschwerde einlegt.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Mit Recht hat die Rechtspflegerin der Beklagten und ihrem Streithelfer lediglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger in Höhe einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV, einer 0,3 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV, einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV nebst Terminkosten nach Nr. 7003 und 7005 RVG-VV und Auslagenpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV i.H.v. insgesamt 2.175,60 EUR zuerkannt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und ihres Streithelfers stehen ihnen beiden nicht jeweils die vollen Rechtsanwaltsgebühren nebst Auslagen (ohne Mehrwertsteuer) i.H.v. jeweils 1.948,20 EUR gemäß den Kostenfestsetzungsanträgen vom 16.7.2013 (Bl. 220 d.A.) und vom 3.9.2013 (Bl. 242 d.A.) zu, weil es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 RVG handelt.
Soweit der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält er die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal und kann ggf. die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV fordern.
Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Dieselbe Angelegenheit liegt in der Regel vor, wenn zwischen ihnen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung des Rechts des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH MDR 2011, 949-950 Rz. 10 m.w.N.). Der Annahme einer Angelegenheit steht z.B. nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, we...