Leitsatz (amtlich)
Nach Zurückweisung der Berufung gem. § 522 ZPO ist eine Anhörungsrüge unzulässig, wenn sich das Berufungsgericht bereits im Beschlussverfahren mit dem als übergangen gerügten Vortrag des Berufungsführers auseinandergesetzt hat und es im Übrigen an einer neuen und eigenständigen Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht fehlt.
Normenkette
ZPO §§ 321a, 522
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 8 O 208/07) |
Tenor
Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 27.5.2008 wird verworfen.
Die Kosten des Rügeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Gründe
I. Die Beklagten rügen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das LG sei in seinem Urteil zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt, das der Senat übernommen habe, weshalb die Berufung zu Unrecht gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden sei. Die im Senatsbeschluss vom 27.5.2008 und auch in dem vorangehenden Ankündigungsbeschluss vom 25.4.2008 dargelegte Auffassung, es bedürfe keiner weiteren Beweiserhebung, sei unzutreffend. Vielmehr käme es auf die Beweisantritte der Beklagten an, über die nicht hätte hinweggegangen werden dürfen.
II.1. Die Anhörungsrüge ist in gesetzlicher Form und Frist gem. § 321a Abs. 4 ZPO erhoben worden, jedoch gem. § 321a Abs. 1 S. 1 ZPO unzulässig. Denn es
mangelt an einer neuen und eigenständigen Gehörsverletzung im Beschlussverfahren gem. § 522 ZPO durch den Senat (vgl. entsprechend für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren BGH, Beschl. v. 20.11.2007 - VI ZR 38/07, NJW 2008, 923, Rz. 4 f.; Beschl. v. 19.5.2008 - VII ZR 159/07, Rz. 3; BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 BBvO 1/02, BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924, Rz. 20).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O., Rz. 18 f.) verlangt das Rechtsstaatsprinzip die einmalige Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle gegen jede neue und eigenständige Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch eine gerichtliche Entscheidung. Diese Kontrolle wird zunächst durch das gegen die betroffene Entscheidung zulässige Rechtsmittel - hier die Berufung - gewährt. Darüber hinaus ist der zusätzliche Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nur erforderlich, wenn sich die Anhörungsrüge gegen eine neue und eigenständige Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht selbst richtet. Anderenfalls ist die Anhörungsrüge als Rechtsbehelf nicht geboten und infolgedessen unzulässig, weil die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bereits im Rechtsmittelverfahren zu rügen und ggf. zu bescheiden ist.
Die Beklagten beanstanden, dass das LG wie auch der Senat es unterlassen haben, Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Die Behauptung, der Kläger hätte den Beklagten zu 1 von seiner Position aus nicht sehen können, sei bereits in der Klageerwiderung erhoben und unter Beweis gestellt worden.
Diesen Vortrag hat der Senat nicht übergangen. Er hat im Hinweisbeschluss vom 25.4.2008 im Einzelnen ausgeführt, warum das Verfahren und die Entscheidung des LG nicht zu bestanden sind. Den Beklagten ist darauf Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden, die sie wahrgenommen haben. Der Senat hat sich im Beschluss vom 27.5.2008 auch mit dem weiteren Beklagtenvortrag aus dem Schriftsatz vom 21.5.2008 ausführlich auseinandergesetzt. Der Umstand, dass er dabei die Rechtsauffassung der Beklagten (weiterhin) nicht geteilt hat und auch deren Ansicht zur Beweiswürdigung nicht gefolgt ist, begründet für sich genommen keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Denn der Senat ist nicht über den Vortrag der Beklagten hinweggegangen, sondern lediglich aufgrund einer - aus der Rechtsprechung des BGH begründeten - Rechtsauffassung zu dem Ergebnis gelangt, dass es auf eine weitere Beweiserhebung nicht ankommt. Art. 103 Abs. 1 GG begründet demgegenüber kein Recht auf die unbedingte Durchführung einer Beweisaufnahme. Das Gericht bleibt ungehindert, das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen (BVerfG, Beschl. v. 8.4.2004 - 2 BvR 743/03, NJW-RR 2004, 1150, insb. Rz. 11). Der Senat hat demgemäß die Ausführungen der Beklagten zur Kenntnis genommen, geprüft und abschließend gewürdigt und somit das rechtliche Gehör gewährt.
Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt allerdings dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, a.a.O.). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Denn wie vom Senat im Einzelnen in den beiden Beschlüssen vom 25.4. und 27.5.2008 dargelegt, war eine weitere Beweiserhebung gerade nicht erforderlich: Das LG hat zum Unfallverlauf bereits zwei Sachverständige angehört und ist nach ausführlicher Würdigung dahin gekommen, dass der Unfallverlauf letztlich unaufklärbar ist. Die demgegenüber gewünschte andere Beweiswürdigung der Beklagten ist vom Prozessrecht her nicht nur nicht geboten, sondern aus dem Verlauf des Verfahrens und auf der Grundlage der vom Senat dargelegten Recht...