Leitsatz (amtlich)
1. Die Unterzeichnung eines Beglaubigungsvermerks kann die fehlende Unterschrift unter einem Schriftsatz ersetzen, selbst wenn die Abschrift des Schriftsatzes nicht in der Gerichtsakte verbleibt. Entscheidend ist, ob sich aus anderen Anhaltspunkten als der Unterschrift eine hinreichende Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt. Ist das der Fall, kann auch das vollständige Fehlen einer Unterschrift unbeachtlich sein.
2. Auch wenn das Gericht keine Frist i.S.d. § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzt hat, endet das Beweisverfahren mit seiner sachlichen Erledigung durch Übersendung des Gutachtens an die Parteien, wenn die Parteien nicht ggü. dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen vorbringen oder Anträge bzw. Ergänzungsfragen formulieren. Hierfür wird ein Zeitraum von ein bis zwei Monaten in der Regel noch angemessen sein, mehr als drei Monate genügen aber ohne besondere Umstände nicht.
3. Das selbständigen Beweisverfahrens dient nicht dazu, die Grundlage für eine weitere Beweisaufnahme oder für eine Klage nach Maßgabe der im Beweisverfahren erhaltenen Kenntnisse zu schaffen. Es soll stattdessen eine Beweisaufnahme außerhalb eines Hauptsacheverfahrens durchgeführt werden, um im Interesse einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien einen Rechtsstreit möglichst zu vermeiden.
Normenkette
ZPO §§ 130, 492, 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 27.08.2007; Aktenzeichen 5 OH 8/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das selbständige Beweisverfahren ist beendet.
I. Das LG hatte nach dem Beweisbeschluss vom 22.5.2006 (Bl. 166 d.A.) im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens über folgende Fragen Beweis zu erheben durch Einholung eines schriftlichen orthopädischen Sachverständigengutachtens:
a) Erlitt die Antragstellerin durch den Verkehrsunfall vom 16.3.2002 ein Halswirbelschleudertrauma und eine hartnäckige Cervicalneuralgie mit erheblicher Radiculipatzie und Schmerzsymptomatik im Bereich der HWS mit Ausstrahlung in den Schulterbereich?
b) Ist die derzeitige Minderung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin durch den Unfall vom 16.3.2002 verursacht worden?
c) Hilfsweise, soweit die Frage zu b) nicht zu bejahen ist:
Wie groß war die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem Unfall bis zur Rückbildung der HWS-Blockierung im Jahr 2003?
Das LG hat darauf zunächst ein Gutachten des Sachverständigen Dr. A. vom 28.8.2006 eingeholt (Bl. 203 d.A.), außerdem - nach einem Hinweis des Sachverständigen Dr. A. (Bl. 190 d.A.) gem. Verfügung vom 8.11.2007 (Bl. 199 d.A.) - ein neurologisches Zusatzgutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 12.2.2007 (Bl. 268 d.A.) und eine ergänzende Stellungnahme dieses Gutachters vom 2.7.2007 (Bl. 312 d.A.). Mit Verfügung des Einzelrichters vom 4.7.2007 ist der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme "binnen zwei Wochen" auf das letzte nervenärztliche Gutachten vom 2.7.2007 (Bl. 312 f. d.A.) gewährt worden, allerdings ohne dass die Partei auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist hingewiesen worden ist (Bl. 317 d.A.). Diese Verfügung ist der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zusammen mit der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 6.7.2007 zugestellt worden (Bl. 321 d.A.). Mit Schriftsatz vom 20.7.2007 hat die Antragstellerin eine kurze Stellungnahme zu dem erwähnten Gutachten abgegeben und "angekündigt", dass "hier noch einmal eine neurologische Untersuchung gegebenenfalls durch einen anderen unabhängigen und weniger beeinflussten Gutachter durchgeführt werden" müsste. Ferner hieß es wörtlich: "Einen Antrag dazu werde ich stellen, sobald mir die Gerichtsakten zur Einsichtnahme vorgelegen haben" (Bl. 324 d.A.). Das Schreiben enthielt im Übrigen keinen Antrag und keinen Vorhalt an den Sachverständigen. Mit Schriftsatz vom 27.7.2007 hat die Antragstellerin eine Würdigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen vorgenommen, die sie nicht für ausreichend hielt. Sodann hat die Antragstellerin beantragt, den Gutachter "aufzufordern, eine neurologische Untersuchung vorzunehmen" bzw. ihn "dazu zu veranlassen, die ihm gestellte Frage nun zu beantworten und entsprechende Untersuchungen vorzunehmen oder mitzuteilen, dass er dazu nicht in der Lage ist" (Bl. 327, 328 d.A.). Ferner enthielt dieser Schriftsatz eine Anlage, in dem dargelegt wurde, was nach Ansicht der Antragstellerin unter einer "neurologischen Untersuchung" zu verstehen ist (Bl. 329 f. d.A.).
Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 334 d.A.) das selbständige Beweisverfahren für beendet erklärt, weil die Antragstellerin nicht fristgerecht zu den eingeholten Gutachten Stellung genommen habe. Hiergegen richtet sich die beim LG Lüneburg am 8.10.2007 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der (...