Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 20 O 23/21) |
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in den Verfahren C-663/19, C-678/20 P und C-100/21 gem. § 148 ZPO (analog) auszusetzen, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 21. Dezember 2021 wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
3. Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet und unterliegt daher der Zurückweisung durch den vorliegenden, einstimmig gefassten Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
Die Rechtssache hat unter Berücksichtigung der aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Komplex des sog. "Diesel-Abgasskandals" keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Unter Berücksichtigung dessen erscheint auch eine mündliche Verhandlung nicht als geboten.
Die Berufung der Klägerin ist aus den in dem Hinweisbeschluss vom 30. Mai 2022 dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet. Die Stellungnahme der Klägerin vom 6. Juli 2022 führt zu keiner abweichenden Beurteilung und rechtfertigt auch keine Aussetzung des Verfahrens, weil die von ihr genannten Verfahren vor dem EuGH nicht vorgreiflich sind. Zu den Ausführungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme ist Folgendes festzuhalten:
Auch die Schlussanträge des Generalanwalts R. vom 2. Juni 2022 ändern an dieser Beurteilung nichts. Selbst wenn man im vorliegenden Fall - den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache C-100/21 folgend - davon ausgehen würde, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeuges schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist und deshalb einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht ziehen würde, fehlt es an dem subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsnorm, d.h. dem zumindest fahrlässigen Handeln der Beklagten, da hierfür jegliches schlüssiges substantiiertes Vorbringen der Klägerin fehlt.
Die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 6. Juli 2022, aus den Schlussanträgen des Generalanwalts folge, dass es nicht darauf ankäme, dass die Beklagte den Motor nicht produziert habe, sondern, dass sie allein als Herstellerin des Fahrzeuges hafte, ist nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich setzt das nationale Haftungsrecht und hier eben § 823 Abs. 2 BGB zumindest ein fahrlässiges Handeln voraus. Daran ändern auch die Ausführungen des Generalanwalts nichts. Dem klägerischen Vorbringen sind keine Anhaltpunkte für ein fahrlässiges Handeln der Beklagten zu entnehmen.
Der Einbau des Motors allein spricht - auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte für den Automobilhersteller und der mit dem Einsatz der rechtswidrigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 39) - noch nicht für die Annahme, die Unternehmensleitung der Beklagten sei in die diesbezügliche strategische Entscheidung ihrer Schwestergesellschaft eingebunden gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 30).
Insbesondere lässt sich ein sittenwidriges Verhalten der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten auch nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründen. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt nämlich voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (BGH, Urteil v. 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, juris, Rn. 13, 22 f., 27 m.w.N.). Denn so wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen (BGH, Urteil vom 8. März 2021 aaO Rn. 21).
Entsprechendes muss folglich auch für § 823 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Fahrlässigkeit gelten. Auch bei § 823 BGB gilt, dass ...