Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 18 O 38/22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Hannover - 18. Zivilkammer - vom 28. November 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 6. Februar 2023 Bezug genommen. Die im Anschluss an den Hinweis des Senats erfolgten Ausführungen der Berufung im Schriftsatz vom 24. März 2023 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
1. Das gilt zunächst für die Ausführungen zur sog. "Grenzwertkausalität". Hier wie auch an anderen Stellen vermengt der Kläger die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung mit der Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten. Allein auf Letzteres zielen die Ausführungen des Senats in dem Hinweisbeschluss ab; der Kläger will hingegen die Unzulässigkeit der Verwendung der beanstandeten Abschalteinrichtungen demonstrieren. Das ist überflüssig: Die Unzulässigkeit unterstellt der Senat zugunsten des Klägers.
2. Im Weiteren übersieht der Kläger, dass er für die Voraussetzungen des § 826 BGB darlegungs- und beweisbelastet ist. Das kann hier nur über einen sog. Indizienbeweis gelingen.
Der Indizienbeweis bezieht sich auf Hilfstatsachen, die erst durch ihr Zusammenwirken mit anderen Tatsachen den Schluss auf das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals rechtfertigen sollen. Ein Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen. Bei einem Indizienbeweis darf und muss der Richter daher vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, ob also die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2016 - VI ZR 163/14, juris Rn. 15).
In die Schlüssigkeitsprüfung des Indizienbeweises ist der zwischen den Parteien unstreitige Prozessstoff einzubeziehen, zu dem die - auch aktuellen - Beurteilungen des Kraftfahrtbundesamtes ebenso gehören wie der Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen aus dem Jahr 2016, was der Kläger in seiner Stellungnahme übergeht. Hieraus geht vielmehr hervor, dass das Kraftfahrtbundesamt mindestens seit 2016 die in dem Motor EA 288 verwendeten Abschalteinrichtungen nicht als unzulässig beurteilt. Das betrifft auch die Fahrkurvenerkennung. Insoweit macht der Kläger zwar geltend, dem Kraftfahrtbundesamt sei zu misstrauen. Anhaltspunkte hierfür oder auch nur für die Unrichtigkeit der von dem Kraftfahrtbundesamt mitgeteilten Untersuchungsergebnisse (zur Klarstellung: nicht der ebenfalls mitgeteilten rechtlichen Bewertung) trägt er aber nicht vor - wie in dem Hinweisbeschluss näher ausgeführt ist (dort S. 10 ff.) -, weshalb seine Behauptungen insoweit prozessual unbeachtlich sind.
3. Schließlich kann der Kläger seine Klage auch nicht auf eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 stützen.
Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 21. März 2023 in dem Verfahren C-100/21 (ECLI:EU:C:2023:229) entschieden, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 neben allgemeinen Rechtsgütern auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Ob ein solcher Anspruch auch das Interesse erfasst, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, ist allerdings nach wie vor offen (ablehnend etwa OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2023 - 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904). Im Ergebnis kann diese Frage aber dahinstehen, weil die Beklagte hier nicht Herstellerin ist. "Hersteller" nach Art. 3 Nr. 27 Richtlinie 2007/46/EG ist die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Sie muss nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit, das bzw. die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein. Hier ist Hersteller, was der Kläger auch nicht in Abrede nimmt, nicht die Beklagte, sondern die Firma Skoda.
II. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die wesentlichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt (vgl. zum EA 288 BGH, Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21