Entscheidungsstichwort (Thema)
Ewiges Widerspruchsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die befristete Widerspruchsmöglichkeit des Versicherungsnehmers gem. §§ 5a VVG a.F., 499, 495 BGB ist ungeachtet diskutierter europarechtlicher Bedenken wirksam; sie kann insbesondere nicht nach vollständiger Vertragsbeendigung ausgeübt werden.
Normenkette
VVG a.F. § 5a; BGB §§ 495, 499
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 24.05.2011; Aktenzeichen 2 O 167/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24.5.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf bis zu 13.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags.
Am 10.1.1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags (Anlage B 1 im Anlagenband Beklagte). Zum Abruftermin am 1.12.2007 brachte die Beklagte einen Betrag i.H.v. 26.305,22 EUR zur Auszahlung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.2.2010 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. und begehrte Zahlung von 8.111,90 EUR.
Der Kläger behauptet, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie ein etwaiges Policen-Begleitschreiben vor oder nach der der Antragstellung nicht erhalten zu haben (Bl. 48 d.A.). Deshalb seien sie nicht Vertragsbestandteil geworden und der Versicherungsvertrag unwirksam.
Darüber hinaus habe ihm auch ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht gem. § 5a VVG a.F. zugestanden. Von diesem Recht habe er wirksam Gebrauch gemacht. Auf eine Präklusion dieses Rechts könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die in § 5a VVG a.F. geregelte Widerspruchsfrist europarechtswidrig sei. Unabhängig hiervon sei er auf sein Widerspruchsrecht auch nicht hingewiesen worden (Bl. 18 d.A.).
Ergänzend trägt er vor, dass die Versicherungsbedingungen zur Berechnung des Rückkaufswertes intransparent seien. Dasselbe gelte hinsichtlich der Klauseln betreffend die Abschlusskostenverrechnung und die Überschussbeteiligung. Auch dies habe die Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge.
Weiter behauptet er, bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. So sei er nicht darauf hingewiesen worden, welche Folgen die Anwendung des Zillmerungsverfahrens für die Abschlusskosten habe. Ebenso wenig sei er darauf hingewiesen worden, dass es auch andere Berechnungsmöglichkeiten gebe und wie sich die Überschussanteile und die Stornokosten bei einer vorzeitigen Vertragskündigung errechnen würden. Im Übrigen habe der Kläger eine konservative Anlage gewünscht. Dabei sei ihm verschwiegen worden, dass die eingezahlten Prämien nicht erhalten blieben. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte er den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.
Der Kläger könne den Versicherungsvertrag auch widerrufen, weil es sich hierbei um ein Teilzahlungsgeschäft gehandelt habe. Beim streitgegenständlichen Versicherungsvertrag sei es auch zu einem Ratenzahlungszuschlag gekommen (Bl. 51 d.A.).
Schließlich sei der Versicherungsvertrag im Hinblick auf die "Kick-Backs-Rechtsprechung" unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.059,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2010 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche nicht anrechenbare Anwaltskosten i.H.v. 1.213,09 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe die Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit dem Versicherungsschein vom 8.2.1996 erhalten. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, scheitere ein etwaiges Widerspruchsrecht des Klägers aber an der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Selbst wenn die Jahresfrist gegen Europarecht verstieße, würde dies noch kein ewiges Widerspruchsrecht begründen.
Die vom Kläger beanstandeten Klauseln seien wirksam. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, würde dies nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags führen.
Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Der Versicherungsvertreter habe nicht ungefragt zu den Folgen einer Kündigung Auskünfte zu erteilen. Auf die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH könne sich der Kläger bei einem Versicherungsvertrag nicht berufen.
Dem Kläger stehe auch kein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu, weil Versicherungsverträge nicht unter diese Bestimmung fallen würden. Ein etwaiges Widerrufsrecht sei außerdem verfristet.
Mit Urteil vom 24.5.2011 (Bl. 107 - 114 d.A.) hat das LG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Versicherungsvertrag nicht gem. § 5a VVG a.F. widerrufen k...