Leitsatz (amtlich)

1. Ob Entwurfspläne für ein Bauwerk urheberrechtlich geschützte, persönliche geistige Schöpfungen i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4 und 7, 2 Abs. 2 UrhG sind, hängt vom jeweiligen Werk ab.

Entscheidend für die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Architektenleistung ist der Grad der Individualität der Leistung. Sie muss sich von der Masse des durchschnittlichen, üblichen und alltäglichen Bauschaffens abheben und nicht nur das Ergebnis eines rein handwerklichen routinemäßigen Schaffens darstellen ("Gestaltungshöhe").

2. Wenn Pläne eines Architekten dem Urheberrecht unterfallen, ist es dem Auftraggeber nicht gestattet, das Bauwerk nach der Vorplanung ohne Mitwirkung des planenden Architekten von einem anderen Architekten ausführen zu lassen.

3. In der Regel ist im Bereich der Entwurfsplanung noch nicht von einem Nachbaurecht auszugehen. Erst dann, wenn der Architekt auch die Genehmigungsplanung erstellt hat und ihm deren Vorlage bei der Genehmigungsbehörde übertragen worden ist, ist davon auszugehen, dass ein Nachbaurecht mit übertragen wurde.

 

Normenkette

UrhG §§ 2, 97; HOAI a.F. § 22

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 11.08.2010; Aktenzeichen 7 O 98/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Verden vom 11.8.2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.647,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 69 % und der Beklagte zu 31 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 58 % und der Beklagte zu 42 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Architektenhonorar in Höhe von 31.060,37 EUR. Das LG hat davon 22.960,76 EUR zuerkannt. Der Kläger behauptet, er habe für den Beklagten eine Ausstellungshalle für Oldtimer und Kunst mit einer Nutzfläche von 1.000 m2 geplant. Unstreitig gab es zwischen den Parteien hierzu mehrere Treffen und Gespräche. Der Kläger stellte dem Beklagten fünf von ihm entworfene Zeichnungen über die Gestaltung der Halle und deren Bau zur Verfügung. Der Beklagte suchte sich daraus den fünften Entwurf (vgl. Anlage K 4, Bl. 18 d.A.) aus und bat um weitere Ausarbeitung. Der Kläger erstellte danach zwei weitere Entwürfe, die er dem Beklagten überreichte. Der Beklagte entschied sich für eine Version, die der Kläger wiederum in einem "Animationsplan" ausgestaltete. Schließlich wurde dem Beklagten noch ein USB-Stick mit einem Animationsfilm überreicht. Die Gespräche zwischen den Parteien erstreckten sich auf die Zeit zwischen Anfang Februar und Ende März 2007. Danach kam es zu keinem weiteren Kontakt mehr zwischen dem Kläger und dem Beklagten in dieser Sache. Im November 2008 stellte der Kläger fest, dass der Beklagte auf seinem Grundstück eine Ausstellungshalle errichtete. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe dabei seine (des Klägers) Pläne verwertet und die von ihm entworfene Halle gebaut. Deshalb verlangt er von ihm Architektenhonorar für die Leistungsphasen 1 bis 3 gem. § 15 HOAI unter Ansatz anrechenbarer Kosten in Höhe von 1.982.145 EUR von (brutto) 31.060,37 EUR (Bl. 10 f. d.A.).

Der Beklagte behauptet, er habe keinen Vertrag mit dem Kläger geschlossen. Man habe sich bereits über das Honorar nicht einigen können. Der Kläger habe auch keine eigenständige Leistung erbracht. Er habe lediglich nach vier Fehlversuchen konkrete Beschreibungen des Beklagten umgesetzt bzw. dessen eigenen Ideen verwirklicht.

Das LG hat die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien sei konkludent ein Architektenvertrag geschlossen worden. Der Kläger habe eine eigene Leistung erbracht. Das folge aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen K. vom 18.11.2009. Dieses zeige, das vom Kläger geplante und das vom Beklagten verwirklichte Gebäude seien in wesentlichen Einzelheiten "nahezu identisch". Der Kläger habe damit bis in den Bereich der Entwurfsplanung eine brauchbare Leistung erbracht, die der Beklagte verwertet habe. Zur Höhe hat sich die Kammer auch auf das weitere Gutachten des Sachverständigen K. vom 6.5.2010 (Bl. 265 f. d.A.) gestützt und danach den zuerkannten Betrag berechnet.

Der Beklagte greift dieses Urteil an und meint in seiner Berufung (weiterhin), er schulde dem Kläger kein Honorar, weshalb die Klage vollständig abzuweisen sei. Es sei kein Architektenvertrag zustande gekommen. Er habe die Planungen des Klägers auch nicht teilweise verwertet. Die von seinem Architekten - dem Zeugen Kü. - gebaute Halle sei grundlegend von der unterschieden, die der Kläger geplant habe. In jedem Fall stehe dem Kläger nicht ein Honorar in der zuerkannten Höhe einschließlich der vom LG angesetzten Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. D...

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