Leitsatz (amtlich)
Enthält die von einem Vertreter verfasste Abmahnung neben der Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterwerfungserklärung abzugeben, zugleich bereits das Angebot zum Abschluss eines bestimmten Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen, handelt der Abgemahnte treuwidrig, wenn er dieses Angebot durch Unterzeichnung und Zusendung an den Vertreter unverzüglich akzeptiert, zugleich aber die Abmahnung unter Hinweis auf das Fehlen der Originalvollmacht unverzüglich zurückweist. In diesem Fall kommt eine entsprechende Anwendung von § 174 Satz 1 BGB nicht in Betracht.
Normenkette
UWG § 12 Abs. 1; BGB § 174 S. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 23.02.2010; Aktenzeichen 26 O 84/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.2.2010 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Hannover abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,80 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 29.9.2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten zum Ersatz ihrer Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber und handeln auf der Internetplattform e. mit Elek-tronikartikeln, Spielekonsolen und Spielekonsolenzubehör. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6.8.2009 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen diverser unwirksamer Regelungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab und forderte ihn auf, die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu ihren Gunsten abzugeben sowie die entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Dem Abmahnschreiben lagen eine formulierte Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen sowie eine Kopie der Vollmacht für die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei. Mit einem an diesen gerichteten Schreiben vom 7.8.2009 wies der Beklagte die Abmahnung mangels Vorlage einer Originalvollmachtsurkunde zurück, gab jedoch gleichwohl die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er verweigerte aber die Übernahme der Rechtsverfolgungskosten mangels rechtswirksamer Abmahnung.
Mit Urteil vom 23.2.2010 hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es für einen Anspruch gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG an einer wirksamen Abmahnung fehle. Bei der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochenen Abmahnung handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, dem die nach § 174 BGB erforderliche Originalvollmacht nicht beigefügt gewesen sei. Der Beklagte habe deshalb die Abmahnung zu Recht unverzüglich zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Auffassung vertritt, dass die der Abmahnung in Kopie beigefügte Vollmachtsurkunde zum Nachweis ihrer Bevollmächtigung genüge. Zudem habe der Beklagte ihre Bevollmächtigung konkludent anerkannt, indem er zugleich mit dem Verweis auf eine fehlende Originalvollmacht zu ihren Händen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung überreicht habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 23.2.2010 verkündeten Urteils des LG Hannover, den Beklagten zu verurteilen, an sie 755,80 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagerhebung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung fehle es bereits an einer Rechtsverletzung i.S.d. §§ 513, 546 ZPO, weil die vom LG vertretene Rechtsauffassung in jedem Fall gut vertretbar sei und das OLG deshalb daran - ungeachtet eigener Gewichtungstendenzen - gebunden sei.
Wegen der in der ersten Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann sie vom Beklagten die Erstattung ihrer Abmahnkosten i.H.v. 755,80 EUR verlangen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Senat bei der Prüfung, ob eine Rechtsverletzung nach den §§ 513, 546 ZPO vorliegt, nicht an eine vertretbare Rechtsauffassung des LG gebunden. Der Beklagte verkennt, dass die von ihm zitierte Rechtsprechung sich auf die Auslegung einer Vertragsurkunde bezieht, die vom Rechtsmittelgericht nur insoweit überprüft wird, als es um gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften geht (BGH, Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; OLG Celle OLGReport Celle 2002, 238 f.). Dagegen gehört die Auslegung des Gesetzes zum Kernbereich rechtlic...