Leitsatz (amtlich)
1. Liegt zwischen der letzten mündlichen Verhandlungstermin und der Urteilsverkündung ein Zeitraum von mehr 4 1/2 Monaten, ist trotz § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur anzunehmen, wenn sich das Gericht an den Parteivortrag nicht mehr erinnern kann.
2. Haben die Parteien eines Bauvertrages den Umfang der geschuldeten Leistungen durch ein Leistungsverzeichnis festgelegt, werden später geforderte oder notwendige Zusatzarbeiten nicht vom Pauschalpreis erfasst. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aufgrund derer der Auftragnehmer notwendige oder geforderte Leistungen ohne Vergütung zu erbringen hat, sind unwirksam.
3. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in der der nach § 341 Abs. 3 BGB erforderliche Vorbehalt einer Vertragsstrafe abbedungen wird, ist unwirksam.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 13.10.2005; Aktenzeichen 19 O 130/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Hannover vom 13.10.2005 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 215.666,37 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 29.1.1998 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 8 % und der Beklagte 92 % zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 9 % und der Beklagte 91 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Verfahrens vor dem LG wird in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung auf 917.125,32 EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 579.550,06 EUR festgesetzt.
Gründe
Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von 223.377,85 EUR restlichen Werklohns für Rohbauarbeiten der Klägerin nebst 5 % Zinsen seit dem 29.1.1998 verurteilt. Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des LG Bezug genommen. Der Beklagte verfolgt mit der Berufung seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin will mit der Berufung die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 41.741,87 EUR weiteren Zinsen erreichen. Die Berufung des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet, die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
A. Berufung des Beklagten
Die Berufung des Beklagten ist dahin begründet, dass die Klägerin anstatt der vom LG zuerkannten 223.377,85 EUR nebst Zinsen nur 215.666,37 EUR nebst Zinsen verlangen kann.
I. Verfahrensrügen
1. Der Beklagte rügt, dass zwischen der letzten mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung ein Zeitraum von 4 ½ Monaten gelegen habe. Nach Ablauf einer Frist von drei Monaten sei eine Entscheidung ohne Wiederholung der mündlichen Verhandlung unzulässig.
Die Rüge ist im Ergebnis unbegründet. Nach § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird der Verkündungstermin nur dann über drei Wochen hinaus nach Schluss der mündlichen Verhandlung angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Es kann offen bleiben, ob die vom LG in den Beschlüssen vom 7.7., 4.8. und 8.9.2005 angegebenen Gründe ein Hinausschieben des Verkündungstermins um 4 ½ Monate rechtfertigten. Jedenfalls führt dies nicht zur Zurückverweisung der Sache (§ 538 Abs. 2 ZPO).
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG wäre nur anzunehmen, wenn sich das Gericht an den Parteivortrag nicht mehr hätte erinnern können (vgl. BVerfG, NJW 1996, 3203). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Soweit der Beklagte meint, nach Ablauf von drei Monaten sei eine Entscheidung ohne Wiederholung der mündlichen Verhandlung unzulässig gewesen, trifft das nicht zu. Die in der Berufungsbegründung genannte Kommentarstelle betrifft den hier nicht gegebenen Fall einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren (vgl. § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2. Ein Verfahrensfehler liegt nicht insoweit vor, als das LG dem Antrag Bl. 1382 d.A. auf Durchführung eines Ortstermins nicht gefolgt ist. Ein Ortstermin ist nur dann "erforderlich" i.S.v. § 219 Abs. 1 ZPO, wenn das Gericht diesen nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Beiführung einer gerechten Entscheidung für notwendig hält (Zöller/Stöber, 24. Aufl., § 219 Rz. 2). Geht es, wie hier, um einen Sachverständigenbeweis, darf das Gericht die Einnahme des Augenscheins dem Sachverständigen überlassen (Zöller/Greger, § 371 Rz. 2). Besondere Umstände, die eine Besichtigung der Mängel durch das Gericht erforderlich machten, haben nicht vorgelegen. Das Gericht musste dem Sachverständigen Prof. M. entgegen der Auffassung der Beklagten nicht etwa besonders kritisch begegnen, weil die Klägerin im selbständigen Beweisverfahren 19 OH 33/98 die Begutachtung durch ihn ge...