Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ausgleichsanspruch zwischen deutschen Versicherern von Zugmaschine und Anhänger bei Unfall im Ausland (Schweiz)

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Ausgleichsanspruch zwischen deutschen Versicherern von Zugmaschine und Anhänger bei einem Unfall im Ausland (hier: Schweiz) ist auf das Deliktstatut des Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO abzustellen bzw. der Art. 3 HStVÜbk, weil es sachgerecht ist, für ein- und dasselbe Geschehen stets dasselbe Recht anzuwenden.

 

Normenkette

VVG § 78

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 6 O 26/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Juli 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ≪6 O 26/17 ≫ wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil sowie das vorgenannte Urteil des Landgerichts Hannover sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.356,31 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):

I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung vermag der Senat nicht zu erkennen. § 78 VVG ist - wie die Einzelrichterin zutreffend angenommen hat - auf das Rechtsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Das Deliktstatut des Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO greift durch und führt vorliegend zur Anwendung schweizerischen Rechts, das einen Ausgleichsanspruch zwischen den Versicherern von Zugmaschine und Anhänger unstreitig nicht kennt mit der Folge, dass die Klägerin für die Unfallschäden allein haftet.

Wäre deutsches Recht anwendbar, stünde der Klägerin gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 VVG gegen die Beklagte ein 50 %-iger Ausgleichsanspruch anlässlich des Unfallgeschehens vom 20. März 2013 in E. (Schweiz), bei dem ein schweizerischer Lkw, ..., beschädigt worden ist durch ein Verschulden des Führers der bei der Klägerin haftpflichtversicherten Zugmaschine Scania, ..., mit bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger, ..., zu: Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfall nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen, weil die beiden Versicherungen eine Mehrfachversicherung im Sinne von § 78 Abs. 1 VVG begründen, das Gespann eine Betriebseinheit darstellt und Halter und Fahrer desselben schädigenden Fahrzeugs eine Haftungseinheit bilden, die unterschiedliche Haftungsquoten zwischen beiden verbietet [BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - IV ZR 279/08 -, Leitsatz und Rn. 9, 22, 24 und 29; OLG Celle, Urteil vom 30. April 2013 - 14 U 191/12 -, Leitsatz und Rn. 34, 42 und 45; beide zitiert nach juris; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage, Bearbeiter Armbrüster zu § 78 Rn. 15 und 18].

Umstritten ist jedoch, ob die Regelung des § 78 VVG auch Anwendung findet, wenn sich der Unfall nicht in Deutschland, sondern wie hier im Ausland ereignet hat [vgl. Wilms, Neue Anhänger-Streitfragen bei Auslandsunfällen, DAR 2012, 561 - 563]. In einem solchen Fall ist Folgendes zu erwägen:

Grundsätzlich ist bei Verkehrsunfällen das anzuwendende Recht nach der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) zu bestimmen. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt (sog. Tatortprinzip bzw. Deliktstatut). Das ist vorliegend schweizerisches Recht, weil sich der Unfall in E. (Schweiz) ereignet hat. Der Ausnahmefall des Art. 4 Abs. 2 Rom-II-VO, wonach das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes von Schädiger und Geschädigtem anwendbar ist, wenn beide aus demselben Staat kommen, ist vorliegend nicht einschlägig, weil hier Geschädigter und Schädiger in verschiedenen Staaten leben.

Dass es sich bei der Schweiz nicht um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt, ist nach dem Universalprinzip des Art. 3 Rom-II-Verordnung unerheblich [LG Saarbrücken, Urteil vom 25. Juni 2015 - 13 S 5/15 -, Orientierungssatz und Rn. 11 m. w. N., zitiert nach juris; Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage, Bearbeiter Hohloch zu Art. 3 Rom-II-VO, Rn. 1; Wagner/Berentelg, Straßenverkehrsunfälle Deutscher in den Nachbarstaaten, MDR 2010, 1353 (1356, 1359)]: Die Schweiz ist Mitglied des Haager Übereinkommens vom 4. Mai 1971 über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (HStVÜbk). Es geht gemäß Art. 28 Abs. 1 Rom-II-Verordnung dieser Verordnung vor. Als loi uniforme ist es auch im Verhältnis zu Drittstaaten, namentlich auf Verkehrsunfälle mit deutscher Beteiligung, anzuwenden (Art. 11 HStVÜbk). Gemäß Art. 3 HStVÜbk ist das Recht des Staates anwendbar, i...

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