Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrigkeit der Ehegattenmithaftung
Leitsatz (amtlich)
Sittenwidrigkeit der Ehegattenmithaftung für Pachtverbindlichkeiten des Ehepartners durch krasse finanzielle Überforderung.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 15.03.2001; Aktenzeichen 5 O 450/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.3.2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Verden geändert und die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars R. B. aus B. vom 6.12.1991 - UR-Nr. 668/91 - für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen mit Ausnahme der Kosten des ersten Rechtsmittelverfahrens (vor dem 2. Zivilsenat), die der Klägerin auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: bis zu 186.000 EUR (= 363.000 DM).
Gründe
I. Die Klägerin begehrt im Wege der Vollstreckungsgegenklage, die Vollstreckung aus der im Tenor aufgeführten notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären.
Wegen des Sachverhalts wird auf das Versäumnisurteil des BGH (Bd. IV Bl. 74 ff.) und ergänzend auf den Tatbestand des Urteils des 2. Zivilsenats (Bd. III Bl. 385 ff.) verwiesen. Nach Aufhebung jenes Urteils und Zurückverweisung der Sache an den nunmehr zuständigen 16. Zivilsenat geht es im Wesentlichen noch um die Frage der Sittenwidrigkeit der Mithaftung der Klägerin für die Pachtzinsschulden ihres Ehemannes, wobei auf die Einkommens und Vermögensverhältnisse der Klägerin im Dezember 1991 sowie darauf abzustellen ist, ob der Pachtvertrag ordentlich kündbar war.
Dazu haben beide Parteien umfassend ergänzend vorgetragen (ab Bd. IV Bl. 134 ff.), worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Parteien persönlich angehört. Die Grundakten A. waren zur Information beigezogen. Auf das Protokoll vom 16.6.2005 wird verwiesen.
II. Die Berufung der Klägerin hat im Ergebnis Erfolg. Die Zwangsvollstreckung ist unzulässig.
1. Für die Frage der Sittenwidrigkeit der von der Klägerin übernommenen Mithaftung für die Pachtschulden des Ehemannes kommt es auf die Eigentums und Vermögensverhältnisse der Klägerin im Dezember 1991 an. Dabei ist nach der Entscheidung des BGH (a.a.O. S. 9) auf die fest vereinbarte Pachtdauer von fünf Jahren ab Dezember 1991 abzustellen, mithin diese Verpflichtung der Klägerin i.H.v. 660.000 DM ihren Vermögensverhältnissen im Dezember 1991 gegenüberzustellen.
Der Wert des von der Klägerin im Mai 1991 zu Eigentum erworbenen Hausgrundstückes ist in etwa mit dem Kaufpreis von 200.000 DM anzusetzen (Ablichtung des Kaufvertrages Bd. V Bl. 241 ff.). Davon sind nach der Rechtsprechung des BGH die valutierenden Belastungen abzusetzen. Ausweislich dieses Kaufvertrages und der weiter vorgelegten Bankunterlagen hatte die Klägerin zur Finanzierung der ersten Kaufpreisrate ein Darlehen über 50.000 DM aufgenommen, das im Zeitpunkt Dezember 1991 noch in voller Höhe valutierte (Bd. V Bl. 233 ff., 239), dazu die Grundschuld für die ... Bausparkasse, Abt. III Nr. 1.
Der Restkaufpreis für das Grundstück war zunächst vom Verkäufer auf 5 Jahre gestundet mit einer Zinszahlungspflicht von 8 % (Kaufvertrag § 3, Bl. 244), zur Sicherheit erhielt er die Grundschuld Nr. 2 auf dem Grundbesitz über 150.000 DM.
Schon daraus folgt, dass der erworbene Grundbesitz praktisch bis zu dem Verkehrswert belastet war und die Klägerin darüber hinaus die Stundungszinsen von 8 % aus 150.000 DM zu zahlen hatte. Das waren anfänglich p. a. 12.000 DM. Auch wenn die Klägerin - so ihr unwidersprochen gebliebener Vortrag Bl. 231 - ab Dezember 1990 monatlich 1.000 DM auf die Restschuld zahlte, hat sie dadurch nur die Zinsen, dagegen keine Tilgungsleistungen erbracht.
Der Vortrag des Beklagten, das Grundstück sei praktisch lastenfrei gewesen, ist danach unzutreffend. Das Gegenteil ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem vorgelegten Kaufvertrag und den erwähnten Bankunterlagen.
Aus dem Einkommensteuerbescheid für 1991 geht im Übrigen hervor, dass die Klägerin in diesem Jahr Einkünfte von 27.885 DM hatte, abzgl. der Steuern mithin etwa 23.065 DM (Bd. IV Bl. 143). Diese dürften im Wesentlichen durch die o.g. Zinsen um 12.000 DM zu vermindern sein, so dass ihr nur noch 11.065 DM verblieben, d.h. monatlich 922 DM.
Damit hatte die Klägerin im maßgeblichen Jahr 1991 kaum pfändbares Einkommen. Nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Tabelle zu § 850c ZPO wäre bei einem Nettoverdienst von monatlich etwa 1.922 DM (23.065/12) ohne Unterhaltspflichten ein Betrag von 816,20 DM pfändbar gewesen und das bei einer von ihr mitübernommen...