Leitsatz (amtlich)
§ 12 Abs. 2 Satz 3 PflVersG ist dahingehend auszulegen, dass ein Sachschaden des Halters an seinem Fahrzeug auch dann gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PflVersG vom Beklagten zu ersetzen ist, wenn ausschließlich ein Beifahrer in seinem Pkw eine erhebliche Verletzung erlitten hat und der Entschädigungsfonds diesem Beifahrer gegenüber nur deshalb nicht tatsächlich zur Zahlung verpflichtet ist, weil dieser Fahrzeuginsasse von dem Halter desselben Fahrzeugs und dessen Versicherung Ersatz seines Personenschadens beanspruchen kann.
Normenkette
PflVG § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 3; StVG § 17 Abs. 1-2; StVO § 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 11.09.2014; Aktenzeichen 3 O 52/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hannover vom 11.9.2014 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.020,50 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.7.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 55 % und der Beklagte zu 45 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 50 % und dem Beklagten zu 50 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen sowie der erstinstanzlichen Anträge wird zunächst auf das Urteil des LG verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin beansprucht Schadensersatz aus einem Unfallgeschehen vom 9.3.2013 gegen 13:25 Uhr auf der BAB 2 Richtungsfahrbahn B. zwischen den Anschlussstellen L. und B..
Die Klägerin hat behauptet, der Fahrer ihres Pkw Mini Cooper, der zunächst auf der linken von drei Richtungsfahrspuren gefahren sei, sei weil sich ein Polizeifahrzeug unter Nutzung von Sonder- und Wegerechten mit Blaulicht genähert habe auf die mittlere Spur übergewechselt. Als er die mittlere Spur bereits vollständig erreicht gehabt habe, habe ein vor dem Pkw Mini Cooper auf der rechten Fahrspur fahrender weißer Transporter beabsichtigt, von dieser auf die mittlere Fahrspur zu wechseln und ohne zu blinken nach links über die Fahrspurmarkierung hinweg gesteuert. Um einen Verkehrsunfall zu vermeiden, habe der Fahrer des Pkw der Klägerin abgebremst und den Mini Cooper zur linken Seite gesteuert. Dadurch sei das Fahrzeug ausgebrochen und über sämtliche Fahrspuren der Autobahn geschleudert, wodurch es einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten habe. Der Fahrer dieses weißen Transporters, der zunächst angehalten und zur Unfallstelle gekommen sei, habe dann, nach entsprechender Erklärung der Polizeibeamten des Polizeifahrzeuges, seine Fahrt fortsetzen dürfen, ohne dass dessen Personalien festgestellt worden sind. Er habe anschließend nicht ermittelt werden können, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
Das LG hat die Klage vollständig abgewiesen, weil eine Eintrittspflicht des Beklagten nach § 12 PflVersG nicht begründet sei, da Ansprüche auf Ersatz von Sachschäden nur dann geltend gemacht werden könnten, wenn der Beklagte als Entschädigungsfonds aufgrund desselben Ereignisses zur Leistung einer Entschädigung wegen einer erheblichen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Fahrzeuginsassen des Fahrzeugs verpflichtet sei. Da die Beifahrerin im Pkw der Klägerin einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aufgrund der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gegen die Klägerin und die hinter ihr stehende Haftpflichtversicherung habe, bestehe keine Eintrittspflicht des Beklagten, was dazu führe, dass auch die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz ihres Sachschadens habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie diese Rechtsauffassung angreift und geltend macht, der Verkehrsunfall sei für den Fahrer ihres Pkw unvermeidbar gewesen. Sowohl der Fahrer des Pkw, der Zeuge D., als auch die Beifahrerin, die Zeugin J. M., seien durch den Verkehrsunfall erheblich verletzt worden(Bl. 140 d.A.); der Zeuge D. habe ein Hochrasanztrauma erlitten. Aus diesem Grund bestehe eine Eintrittspflicht des Beklagten auch für den Sachschaden der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des am 11.9.2014 verkündeten Urteils des LG Hannover zu verurteilen, an die Berufungsklägerin EUR 6.041 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2013 zu zahlen, hilfsweise, das Urteil des LG Hannover aufzuheben und die Sache zur streitigen Verhandlung an das LG Hannover zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantrag...