Leitsatz (amtlich)
Im Schadensersatzprozess nach Körperverletzung gegen den Schädiger ist im Fall der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand die Frage, ob die erlittenen Verletzungen diese Zurruhesetzung objektiv rechtfertigten, einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte - außer in Fällen reiner Willkür - entzogen.
Normenkette
BGB §§ 253, 823, 842
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 19.04.2006; Aktenzeichen 11 O 316/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.4.2006 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 11. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert:
Die Klage wird weiter abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mehr als 3.500 EUR nebst Zinsen von 4 % seit dem 8.7.1994 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 6 % zu der Beklagten zu 94 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: für den Kläger unter 20.000 EUR,
für die Beklagte über 20.000 EUR.
Gründe
A. Der Kläger verlangt Ersatz seines Verdienstausfallschadens sowie weiterer materieller Schäden und Zahlung von Schmerzensgeld nach vorzeitiger Zurruhesetzung als beamteter Lehrer aufgrund eines Verkehrsunfalls am 23.4.1992 in Hannover, den unstreitig die Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verursachte. Zwischen den Parteien ist u.a. streitig, ob die vom Kläger vorgetragenen körperlichen Beschwerden unfallursächlich sind, welches Schmerzensgeld sie rechtfertigen und ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Differenz zwischen seinen Ruhestandsbezügen und den vormaligen Dienstbezügen als Sonderschullehrer zu erstatten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Mit dem am 19.4.2006 verkündeten Teilanerkenntnis- und Schlussurteil, auf das auch im Übrigen zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das LG unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, an den Kläger über eine schon außergerichtlich erbrachte Schmerzensgeldzahlung von 20.000 DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 10.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger für entstandene materielle Schäden (u.a. Verdienstausfall für die Zeit vom 1.11.1995 bis 31.3.2006, orthopädische Hilfsmittel und einen Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum eines Jahres nach dem Unfallereignis in einem Umfang von insgesamt 150 Stunden) einen Gesamtbetrag von 100.271,46 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat das LG festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen.
Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe beim Kläger ein auf das Unfallereignis zurückzuführendes Halswirbelsäulensyndrom mit stärkerer behindernder Störung und wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, das zu einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 30 % geführt habe. Der Kläger leide unter Dauerfolgen in Form von Kopf- und Nackenschmerzen sowie Schmerzen im linken Arm und damit verbundenen Konzentrationsstörungen und einer eingeschränkten Kopfbeweglichkeit. Dies rechtfertige die Zubilligung eines weiteren Schmerzensgeldes von 10.000 EUR über den vorgerichtlich bereits gezahlten Betrag von 20.000 DM hinaus. Der Kläger könne ferner die Erstattung seines aus der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und den vormaligen Dienstbezügen resultierenden Verdienstausfallschadens verlangen. Der von der Beklagten insoweit erhobene Einwand der unterlassenen Schadensminderung durch Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft des Klägers greife nicht durch. Denn wegen des Quotenvorrechts wirke sich eine etwaige Anspruchsminderung nur zu Lasten des Dienstherrn aus, da in Anbetracht der Höhe der Ruhestandsbezüge des Klägers (70 % der letzten vollen Bezüge) nicht davon ausgegangen werden könne, dass es dem Kläger bei zumutbaren Anstrengungen gelungen wäre, ein diese Bezüge übersteigendes Einkommen zu erzielen. Die orthopädischen Hilfsmittel seien in Höhe der Anschaffungskosten für einen Pezziball, ein Brüggerkissen und ein Witschikissen von insgesamt 112,82 EUR erstattungsfähig.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie vollständige Abweisung der Klage mit Ausnahme des von ihr - der Beklagten - im ersten Rechtszug anerkannten Betrages von 1.718 DM für Fahrtkosten des Klägers erst...