Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers bei Einwurf des Autoschlüssels in ungesicherten Briefkasten

 

Normenkette

VVG § 61

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 13.10.2004; Aktenzeichen 12 O 200/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.10.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 9.298,29 EUR.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a ZPO).

 

Gründe

1. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seines Zahlungsanspruchs aus der Teilkaskoversicherung i.H.v. insgesamt 9.298,29 EUR, wegen Entwendung seines am 18.4.2004 auf dem Gelände der nicht beigetretenen Streitverkündeten (der P. GmbH in H.), nach Einwurf der Fahrzeugschlüssel in einen Briefkasten, zu Reparaturzwecken abgestellten Pkw Porsche, der sodann unbeschädigt, jedoch ohne Navigationsgerät und Fahrzeuginhalt, wieder aufgefunden wurde. Das LG hat Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch grobe Fahrlässigkeit (im Hinblick auf dem Zugriff der Diebe ausgesetzte Fahrzeugschlüssel, mit Hilfe derer das Fahrzeug entwendet worden sei), angenommen.

2. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf Rechtsfehlern noch rechtfertigen fehlerhafte Tatsachenfeststellungen eine andere Entscheidung (§§ 513, 529, 546, 561 ZPO).

a) Das landgerichtliche Urteil geht allerdings, wie die Berufung zutreffend rügt, von einem falschem Sachverhalt aus. Der Kläger hat die Schlüssel seines Fahrzeugs nicht in den Blechkasten, der auf dem Briefkasten der Streitverkündeten angebracht ist, geworfen, sondern in den großen und stabilen Briefkasten selbst.

Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Fehler.

b) Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei. Der Kläger hat den Schaden durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.

c) Voraussetzung für die Annahme der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls ist, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit ggü. der Diebstahlgefahr objektiv deutlich unterschritten hat (BGH v. 12.10.1988 - IVa ZR 46/87, MDR 1989, 337 = VersR 1989, 141). Das bedeutet, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht gelassen und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet hat.

Davon ist hier nach den Umständen des Einzelfalles im Ergebnis auszugehen.

Die Gefahr des Diebstahls wurde objektiv dadurch deutlich erhöht, dass der Pkw auf dem frei befahrbaren und zu beobachtenden Gelände des Autohauses abgestellt und der zugehörige Fahrzeugschlüssel in den in unmittelbarer Nähe befindlichen Außenbriefkasten der Werkstatt, der über keine besonderen Sicherungen verfügt, eingeworfen wurde. Diese Umstände ermöglichten es dem Dieb, sich den Fahrzeugschlüssel zu verschaffen und das Fahrzeug und sodann Bestandteile und Zubehör, hier insb. das Navigationsgerät, zu entwenden.

d) Ferner erfordert die Annahme grober Fahrlässigkeit ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten. Es muss sich auch in subjektiver Hinsicht um ein ggü. einfacher Fahrlässigkeit deutlich gesteigertes Verschulden handeln (BGH v. 12.10.1988 - IVa ZR 46/87, MDR 1989, 337 = VersR 1989, 141; Knappmann in Prölss/Knappmann, VVG, 27. Aufl., 2004, § 61 Rz. 12 ff.). Der Vorwurf eines auch subjektiv groben Verschuldens ergibt sich insb. daraus, dass der Fahrzeugschlüssel in dem Briefkasten gegen den Zugriff Dritter erkennbar unzureichend gesichert war. Der Briefkasten befand sich frei zugänglich und der Beobachtung Dritter ausgesetzt auf dem Gelände der Streitverkündeten. Es handelte sich zwar um einen massiven Außenbriefkasten. Dieser verfügte jedoch als Sicherung gegen Eingriffe durch den Einwurfschlitz lediglich über ein quer verlaufendes Blech (Bl. 87 d.A.). Dies ist nunmehr unstreitig, sodass es der von der Beklagten beantragten Augenscheinseinnahme (Bl. 10 f. d.A.) und der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 82 d.A.) nicht bedarf. Die vorhandene Sicherung war nicht geeignet, den Einblick in den Briefkasten (z.B. mit Zahnarztspiegel und Taschenlampe) und den durch zur Sicherung bereite Personen unbeobachteten Zugriff (z.B. mit speziellen flexiblen Greifwerkzeugen, wie sie in jedem Baumarkt erhältlich sind) zu verhindern. Die vorhandene unzureichende Sicherung konnte den Zugriff allenfalls geringfügig erschweren. Damit war der Briefkasten - auch für den Kläger ersichtlich - kein geeigneter und sicherer Aufbewahrungsort für Fahrzeugschlüssel, die das Ingangsetzen und ungestörte teilweise Zerlegen des wertvollen Fahrzeugs ermöglichten (wie hier OLG Köln v. 31.10.2000 - 9 U 65/00, MDR 2001, 449 = OLGReport Köln 2001, 29; OLG Düsseldorf v. 2.5.2000 - 4 U 68/99, OLGReport Düsseldorf 2001, 16...

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