Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Rechtskraft bei Entscheidung über eine Teilklage. Mitverschulden des Reiters bei der Tierhalterhaftung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtskraft eines Urteils über eine Teilklage umfasst regelmäßig nur den mit der Klage geltend gemachten Teil des Anspruchs.
2. Zum Zwecke der Begrenzung der Tierhalterhaftung des Tierhalters bei Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses kann es angezeigt sein, die Beweislastregeln des § 834 BGB im Rahmen des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden.
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 23.02.2006; Aktenzeichen 14 O 134/05) |
Gründe
I. Die Klägerin macht materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Reitunfall gegen die Beklagte geltend.
Der Unfall ereignete sich am 29. März 2002 in einem Wald- und Heidegebiet zwischen S und H-S bei C. Die zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alte Klägerin, die bereits zu diesem Zeitpunkt über eine zehnjährige Reiterfahrung verfügte, Turnierreiterin war und diverse Reitabzeichen besaß, befand sich mit der Beklagten, die ihr Pferd "R" mitgenommen hatte, auf einem gemeinsamen Reiturlaub auf einem Bauernhof in der Nähe von S. Am Ankunftstag ritt die Klägerin mit dem Pferd der Beklagten nach S an den Strand. Auf dem Rückweg stürzte die Klägerin vom Pferd und zog sich dabei schwere Kopfverletzungen zu. Der Hergang des Unfalls, an den die Klägerin keine Erinnerung hat, ist im Übrigen streitig. Die Klägerin erlitt infolge des Unfalls eine intracerebrale Kontusionsblutung links frontal und befand sich zunächst drei Tage in intensivmedizinischer Behandlung im Krankenhaus R in B. Sie ließ sich auf eigenen Wunsch am 2. April 2002 in das Krankenhaus N a. R. verbringen, wo sie bis zum 12. April verblieb. Im Anschluss nahm sie vom 25. April bis zum 23. Mai 2002 an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik am R in B O teil. Sie wurde mit der Diagnose "Zustand nach links parietaler Blutung, Gedächtnisstörungen, ataktisches Gangbild und Kephalgien" aus der stationären Behandlung entlassen. Die Klägerin unterzog sich in der Folgezeit weiterer neurologischer Untersuchungen im Hinblick auf die seit dem Unfall vermehrt auftretenden Kopfschmerzen, einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit sowie insbesondere einer deutlichen Einschränkung ihres Kurzzeitgedächtnisses. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Arztberichte des Krankenhauses N a. R. der Region H vom 19. April 2002 (GA 10), der Klinik am R vom 23. Mai 2002 (GA 11), der M H H vom 22. August 2002, 6. September 2002 und 11. November 2002 (GA 13 ff.), des MDK N vom 8. Januar 2003 (GA 22, 239), der W Klinik in B W vom 3. Februar 2004 (GA 204 ff.) und dem Abschlussbericht über die medizinische Belastungserprobung des Arbeitstrainings- und Therapiezentrums in S vom 30. Dezember 2004 (GA 24 ff.). Die Klägerin, die vor dem Reitunfall als Industriekauffrau halbschichtig gearbeitet hatte, ist seit dem Unfall arbeitsunfähig. Ein Wiedereingliederungsversuch am Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf schlug fehl.
Nachdem die hinter der Beklagten stehende Versicherung eine Schadensregulierung mit Schreiben vom 20. Juni 2002 abgelehnt hatte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juni 2003 zunächst eine Teilklage auf Zahlung eines Schmerzensgeldteilbetrages in Höhe von 2.000 EUR vor dem Amtsgericht N a. R. Das Amtsgericht wies mit Urteil vom 20. April 2004 (Gesch. Z. 50 C 1293/03) die Klage ab, weil schon der Vortrag der Klägerin, sie sei auf dem sandigen Reitweg mit dem Pferd gestrauchelt und habe sich dadurch verletzt, nicht die Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr erkennen lasse und den Tatbestand des § 833 Satz 1 BGB nicht erfülle. Mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend geändert, dass das Pferd mit dem hinteren Huf auf ein loses Stück Draht getreten und dadurch in Panik geraten sei, anschließend gebuckelt und sie abgeworfen habe. Die abweichende Unfallschilderung hatte die Klägerin damit begründet, dass sie zwischenzeitlich per Zeitungsannonce eine Unfallzeugin ausfindig gemacht habe, die den Hergang des Unfalls beobachtet hätte. Das Landgericht Hannover hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2004 (Gesch.Z. 14 S 52/04) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil das neue Vorbringen gem. § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen sei.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weitere, über die im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesenen Schmerzensgeldbeträge hinausgehende Ansprüche gegen die Beklagte geltend, wobei sie sich auf ihre im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hannover vorgetragene Unfallschilderung bezieht. Sie ist der Auffassung, dass ihr auf Grund der erheblichen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 48.000 EUR sowie eine unbefristete monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 EUR ab dem 1. Mai 2005 zustehe. Darüber hinaus hat die Klägerin materiellen Schadensersatz g...