Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergünstigte Konzessionsabgaben bei Verträgen mit Sondertarifkunden und Nutzung lastschwacher Zeiten; Schwachlasttarif
Leitsatz (amtlich)
Um vergünstigte Konzessionsabgaben im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1a KAV geltend machen zu können, genügt es nicht, dass der Schwachlasttarif, den der Energielieferant seinen Tarifsonderkunden anbietet, nicht nur die geringere Konzessionsabgabe abbildet. Die vergünstigte Konzessionsabgabe ist nicht der Grund, sondern die Folge eines Schwachlasttarifs. Mithin muss der Nettopreis (d.h. ohne Berücksichtigung der Konzessionsabgabe) des Stromanbieters für Schwachlaststrom niedriger liegen als der Nettopreis für Strom, der nicht als Schwachlaststrom geliefert wird.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; KAV § 2 Abs. 2 Nr. 1a, Abs. 7
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 26.10.2015; Aktenzeichen 9 O 242/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 26.10.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 20 % übersteigt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Konzessionsabgaben in Anspruch.
Die Klägerin, eine Lieferantin von Energie, und die Beklagte sind durch einen Rahmenvertrag zur Netznutzung zum Zwecke der Belieferung von Anschlussnutzern mittels des Netzes der Beklagten mit elektrischer Energie vom 7./20.7.2009 miteinander verbunden (vgl. Anlage K 1, gesondert geheftet). Die von der Klägerin an die Beklagte zu entrichtenden Netzentgelte, die von der Beklagten an die Gemeinden weiterzuleitende Konzessionsabgaben enthalten, richten sich nach der Anlage 1 (Preisblätter Netznutzung) zu dem Lieferantenrahmenvertrag. Die Konzessionsabgaben sind im Normaltarif je nach Gemeindegröße gestaffelt.
Die Kunden der Klägerin - Tarifsonderkunden - haben die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch nicht nur über einen Ein-Tarif-Zähler, sondern auch über einen so genannten Zwei-Tarif-Zähler, der zwischen Hochtarif (HT) und Niedertarif (NT) differenziert, erfassen zu lassen. Mit dem sog. "Nachtstrom/DUO-Tarif" können Kunden der Klägerin mit dem Niedertarif das sog. "Schwachlastfenster" - üblicherweise zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr - nutzen.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten bietet die Klägerin ihren Gewerbekunden etwa im Raum O. - in diesem Bereich ist für Strom, der nicht als Schwachlaststrom geliefert wird, eine Konzessionsabgabe von 1,99 Cent/kWh zu zahlen - auf der Grundlage eines Verbrauchs von 3.000 kWh den Hochtarif zum Preis von 20,74 EUR und den Niedertarif zum Preis von 19,92 EUR, jeweils zuzüglich Grundpreis von 8,40 EUR, und im Privatkundenbereich den Hochtarif zum Preis von 24,68 EUR und den Niedertarif zum Preis von 23,70 EUR, jeweils zuzüglich Grundpreis von 10,00 EUR im Monat, an (vgl. Bl. 46, 47 GA).
Die Beklagte berechnete der Klägerin für den "Nachtstrom/DUO-Tarif" nicht die vergünstigte, sondern die Tarifkunden-Konzessionsabgabe für nicht als Schwachlaststrom gelieferten Strom zwischen 1,32 Cent pro kWh bis 1,99 Cent pro kWh (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1b Konzessionsabgabenverordnung = KAV).
Den Differenzbetrag zu der vergünstigten Konzessionsabgabe verlangt die Klägerin von der Beklagten für den Zeitraum Februar 2010 und September 2014 (vgl. zu den Einzelheiten Anlage K 2) ersetzt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Konzessionsabgaben sei unzutreffend. Diese seien nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Nr. 1a KAV zu berechnen, wonach der reduzierte Konzessionsabgabensatz vom 0,61 Cent pro kWh in Ansatz zu bringen sei. Sie habe ihrerseits - unstreitig - gegenüber ihren Kunden, die den "Nachtstrom/DUO-Tarif" gewählt hätten, nur die reduzierte Konzessionsabgabe abgerechnet (Bl. 12 GA). Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine systemimmanente Voraussetzung einer besonderen Preisspreizung in der Form, dass die Preisdifferenz zwischen dem Normaltarif und dem "Nachtstrom/DUO-Tarif" - bezogen auf den Bruttopreis inklusive Konzessionsabgabe - größer sein müsse als die Differenz zwischen den "normalen" Konzessionsabgabensätzen für Tarifkunden und den niedrigeren Konzessionsabgaben in der Schwachlastzeit, gebe es nicht. Entsprechendes sei auch der - zwischenzeitlich außer Kraft getretenen - Bundestarifordnung Elektrik (BTOElt), auf die sich die Kommunalabgabenverordnung beziehe, nicht zu entnehmen. Ein bestimmter Abstand zwischen den Arbeitspreisen in der Niedertarif- und Hochtarifzeit sei nicht vorgeschrieben. Entscheidend sei lediglich, dass zu Zeiten innerhalb des Schwachlastfensters ein Niedertarif angeboten werde, ...