Leitsatz (amtlich)

Ein neuwertiges reimportiertes EU-Fahrzeug mit 100 km Laufleistung im Zeitpunkt des Verkaufs ist jedenfalls dann mangelhaft, wenn zwischen dem Herstellungsdatum und der Erstzulassung in Deutschland mehr als 18 Monate liegen.

 

Normenkette

BGB §§ 346, 437 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 23.11.2007; Aktenzeichen 9 O 89/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des LG Hannover vom 23.11.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 8.470,11 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.3.2007, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw VW Polo 1.2 Comfortline, Fahrzeugidentitätsnummer WVWZZZ9N3Y183235, sowie weitere 396,60 EUR an außergerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für die Beklagte: unter 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann, wie das LG zutreffend erkannt hat, die Beklagte gem. § 346 BGB i.V.m. §§ 323, 437 Nr. 2 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Polo in Anspruch nehmen. Denn das Fahrzeug weist in Bezug auf sein Alter nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist deshalb mangelhaft i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag vom 30.11. handelt es sich bei der Kaufsache, einem Gebrauchtwagen, um ein reimportiertes EU-Fahrzeug mit einer Laufleistung von 100 km und einer Erstzulassung laut Fahrzeugbrief am 6.7.2005. Über das Baujahr des Fahrzeugs, also über den Zeitpunkt seiner Fertigstellung, der unstreitig am 8.9.2003 war, haben die Parteien zwar keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Die vereinbarte Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst vorliegend aber auch ohne ausdrückliche Abrede den Umstand, dass zwischen dem Baujahr des Fahrzeugs und dem im Vertrag angegebenen Datum der Erstzulassung ein überschaubarer Zeitraum liegt, der mit 22 Monaten hier überschritten ist.

Der Abschluss eines Kaufvertrages über ein fabrikneues Fahrzeug beinhaltet nach allgemeiner Ansicht konkludent die Vereinbarung, dass zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Datum des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rz. 256, 261; BGH NJW 2004, 160). Gleiches gilt, wenn ein Kraftfahrzeughändler ein Gebrauchtfahrzeug als Jahreswagen verkauft (BGH NJW 2006, 2694). Denn nicht nur für den Käufer eines Neufahrzeugs, sondern auch für den eines Jahreswagens ist die vor der Erstzulassung liegende Standdauer des Fahrzeugs als wertbildender Faktor von erkennbar wesentlicher Bedeutung.

Aber auch allgemein beim Kauf eines Gebrauchtwagens kann der Käufer bei Fehlen ausdrücklicher Altersangaben berechtigterweise erwarten, dass das Baujahr nicht wesentlich von dem Datum der Erstzulassung abweicht (OLG Karlsruhe NJW 2004, 2456; OLG Celle OLGReport Celle 2006, 670). Denn das Alter (Baujahr) eines Wagens gehört grundsätzlich zu seinen Beschaffenheitsmerkmalen, weil es sich auf seinen Wert auswirkt. Wird das Datum der Erstzulassung in den Kaufvertrag aufgenommen, liegt darin die konkludente Vereinbarung, dass das Fahrzeug in dem Jahr gebaut worden ist, auf das der Zeitpunkt der Erstzulassung schließen lässt (Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1253, S. 816, 2. Absatz).

Diese Grundsätze beziehen sich auch auf Kaufverträge über Reimporte. Bei ihnen kann zwar ein höheres Alter nicht ausgeschlossen werden. Hiervon muss der Käufer solch eines Fahrzeugs ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte aber nicht ausgehen. Vielmehr trifft dem Fahrzeughändler, der ein Reimport insbesondere als neuwertiges Fahrzeug verkauft, eine gesteigerte Hinweispflicht. Er ist verpflichtet, den Käufer über die Vorgeschichte des Reimports aufzuklären, soweit diese sich negativ auf den Wert des Fahrzeugs auswirkt, und zwar selbst dann, wenn er ein Verkaufsformular über einen Gebrauchtwagen gewählt hat (Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 617).

Vorliegend hat der Beklage der Klägerin ein sog. neuwertiges reimportiertes Fahrzeug verkauft, weil dieses mit 100 km ersichtlich noch nicht zu Verkehrszwecken in Gebrauch genommen worden ist. Bei einem derartigen reimportierten Wagen kann ein Durchschnittskäufer wie die Klägerin darauf vertrauen, dass das Baujahr des Wagens nicht Jahre, sondern allenfalls einige Monate vor seiner Erstzulassung liegt, weil er nicht mit jeder beliebigen Lager- und Transportzeit im Ausland zu rechnen hat. Um diese berechtigte Erwartung der Klägerin auszuschließen, hätte die Beklagte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass das Baujahr des streitgegenst...

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