Leitsatz (amtlich)
1. Übernimmt ein Architekt oder Ingenieur die wirtschaftliche Beratung und technische Betreuung bei der Errichtung eines Bauvorhabens, so handelt es sich hierbei um Dienstleistungen i.S.d. §§ 611 ff. BGB.
2. Diese Dienstleistungen sind ähnlich wie diejenigen von Rechtsanwälten oder Steuerberatern Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Im Falle einer vorzeitigen Beendigung eines solchen Dienstverhältnisses greifen daher die §§ 627, 628 BGB (und nicht § 615 BGB) ein.
3. Voraussetzung für die Fälligkeit des Honoraranspruchs nach § 628 Abs. 1 S. 1 BGB ist ebenso wie bei dem Anspruch aus § 649 S. 2 BGB, dass der Architekt oder Ingenieur die bis zur Kündigung tatsächlich erbrachten Leistungen prüffähig abrechnet.
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 27.04.2001; Aktenzeichen 8 O 62/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.4.2001 verkündete Teilurteil der 8. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des LG Stade unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert:
Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen, soweit die Beklagte unter I. 1. des Tenors des angefochtenen Teilurteils zur Zahlung verurteilt worden ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt 104.152,28 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht ggü. der Beklagten Vergütungsansprüche aus einem zwischen den Parteien am 17.10.1997 geschlossenen Vertrag (Anlage K 1), auf dessen Bestimmungen Bezug genommen wird, geltend, nachdem die Beklagte diese Vereinbarung mit Schreiben vom 4.4.1998 mit sofortiger Wirkung gekündigt hat.
Die Beklagte beabsichtigte, in H. eine Senioren-Wohnanlage zu erstellen. Die Klägerin erbringt Architektur und Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken verschiedener Nutzung einschließlich der Errichtung von Gebäuden für betreutes Wohnen. Am 17.10.1997 vereinbarten die Parteien, bei der Errichtung des Projekts in H. zusammenzuarbeiten; dabei verpflichtete sich die Klägerin, die Leistungen zu erbringen, die in den §§ 2, 3 und 6 des Vertrages vom selben Tage umschrieben sind. Als Betreiberin der Anlage war die K. Betriebs GmbH vorgesehen, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin ist. Ebenfalls unter dem 17.10.1997 unterzeichneten die Beklagte und die K. GmbH einen sog. Letter of Intent (Anlage K 13), in dem sie die zwischen ihnen beabsichtigte Zusammenarbeit regelten. § 5 dieses Letter of Intent hat folgenden Wortlaut:
"Die Bestimmungen dieses Letter of Intent begründen keine Verpflichtung der Parteien, die beabsichtigte Zusammenarbeit durchzuführen und die entsprechenden Verträge zu unterzeichnen. Vielmehr haben die Parteien bis zur Unterzeichnung der Verträge das Recht, jederzeit ohne Angabe von Gründen von weiteren Verhandlungen Abstand zu nehmen ...."
Die Klägerin ist nicht Vertragspartnerin dieses Letter of Intent geworden, obwohl dies in einem vorangegangenen Entwurf (Anlage K 11) zunächst vorgesehen war. Die Zusammenarbeit der Beklagten mit der K. GmbH scheiterte. Nachdem die Beklagte die K. GmbH mit Schreiben vom 2.3.1998 (Bl. 106) vergeblich um die Vorstellung des Betreiberkonzepts gebeten hatte, um den Verkauf der Wohnungen zu starten, erklärte die Beklagte dieser ggü. mit Schreiben vom 4.4.1998 (Bl. 112) die Abstandnahme von der beabsichtigten Zusammenarbeit.
Mit einem weiteren an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 4.4.1998 (Bl. 107) kündigte die Beklagte den mit dieser geschlossenen Vertrag mit sofortiger Wirkung unter Hinweis auf ihre - der Beklagten - Abstandnahme von der beabsichtigten Zusammenarbeit mit der K. GmbH und mit der Begründung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag "der Kausalität des Letter of Intent vom 17.10.1997" unterliege.
Die Klägerin hat die Beklagte im Hinblick auf die vereinbarte wirtschaftliche und technische Beratung durch sie - die Klägerin - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gem. § 615 S. 1 BGB auf Zahlung der in § 4 des Vertrages vom 17.10.1997 vereinbarten Vergütung i.H.v. brutto 184.000 DM in Anspruch genommen und einschließlich kapitalisierter Zinsen i.H.v. 19.704,16 DM eine Forderung i.H.v. insgesamt 203.704,16 DM gerichtlich geltend gemacht. Hilfsweise hat die Klägerin ihre Forderung i.H.v. 80.500 DM brutto auf die Einzelleistungen gestützt, die sie zum Zeitpunkt der Kündigung durch die Beklagte bereits ausgeführt gehabt haben will. Im Hinblick auf diese Einzelleistungen wird insb. auf die Auflistungen auf S. 4 der Klageschrift und in der Anlage K 7 Bezug genommen. Dem genannten Bet...