Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbrecht. Pflichtteilsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Schuldet der Erbe den Pflichtteil, aber nicht das (Nach-)Vermächtnis, kann der schon geleistete Pflichtteil nicht auf das später angefallene Nachvermächtnis angerechnet werden, das Pflichtteilsbegehren indessen als Ausschlagung des Nachvermächtnisses auszulegen sein.
Normenkette
BGB § 2180 Abs. 2, § 2303 ff., § 2307
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 22.12.1997; Aktenzeichen 12 O 103/97) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Dezember 1997 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird – unter Abweisung der erweiterten Klage – zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse leisten.
Beschwer: 1.050.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen schuldhafter Verletzung seines Amtes als Testamentsvollstrecker in Anspruch.
Sie und ihr Bruder … sind die Kinder aus erster Ehe des am 20. September 1979 verstorbenen Dr. h. c. …, der in zweiter Ehe mit der am 9. Januar 1999 verstorbenen … geb. … verheiratet war. In dem Testament vom 14. August 1978, das der Beklagte beurkundete, setzte der Erblasser die Klägerin und deren Bruder als Erben ein, belastete sie beide indessen mit mehreren Vermächtnissen. Sein hälftiges Erbbaurecht an dem Grundstück … in … vermachte er seiner zweiten Ehefrau bis zu deren Tode, von da an der Klägerin. Er gestattete seiner zweiten Ehefrau die Veräußerung, wenn „angezeigt oder notwendig”, und wies die – durch Testament vom 2. August 1979 ernannten – Testamentsvollstrecker an, nämlich den Beklagten, den Konsul … -von … und den Prokuristen …, von denen der Beklagte allein übrig blieb, den Veräußerungserlös in festverzinslichen Wertpapieren anzulegen, deren Zinsen seine – des Erblassers – zweite Ehefrau und die Papiere selbst nach deren Tode die Klägerin erhalten sollte. Die Klägerin bekam den Anteil des Erblassers an dem Hausgrundstück in … vermacht, ihre Stiefmutter, die zweite Ehefrau des Erblassers, den lebenslangen Nießbrauch an diesem, diesen danach zu je einem Drittel die Kinder aus erster Ehe der Klägerin einerseits und die alleinigen Kinder seiner – des Erblassers – zweiten Ehefrau andererseits.
Am 13. Dezember 1979 schlug die Klägerin „die Erbschaft als Testamentserbe” aus. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1979 teilte sie dem Beklagten mit, dass sie „nach Ausschlagen (ihrer) Erbschaft die Pflichtteils- sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend mache in Bezug auf den Nachlass (ihres) Vaters”. Am selben Tage schrieb sie dem Testamentsvollstrecker …, ihre Stiefmutter sei mit der Ausschlagung der Erbschaft durch sie – die Klägerin – einverstanden, insbesondere wegen der auch für sie – die Stiefmutter – „unangenehmen Hintereinander-Schaltung (ihrer) beider Ansprüche im Testament … sie habe volles Verständnis für das Ausscheiden zumindest einer der beteiligten Personen … (ihr – der Klägerin sei) klar, dass (sie) dabei einen Teil der (ihr) zustehenden materiellen Werte aufgebe…” Mit Schreiben vom 8. Januar 1980 belehrte der Beklagte die Stiefmutter der Klägerin, dass diese infolge der Ausschlagung nicht mehr Nachvermächtnisnehmerin des hälftigen Erbbaurechts sei und sie – die Stiefmutter – daher über das hälftige Erbbaurecht nach Belieben verfügen könne. Mit Anwaltsschreiben vom 15. April 1980 an ihren Bruder, den verbliebenen Erben, und die drei Testamentsvollstrecker forderte die Klägerin den Pflichtteil in Höhe von 1.714.100 DM und legte der Berechnung ihrer Forderung das hälftige Erbbaurecht mit dem Mindestwert von 325.000 DM zugrunde. Letztlich erhielt die Klägerin auf ihren Pflichtteil 1.209.238 DM, wobei das hälftige Erbbaurecht ohne Abzug vom Pflichtteil mit 469.560 DM in dessen Berechnung einfloss.
Am 25. Juni 1990 veräußerte die Stiefmutter der Klägerin das hälftige Erbbaurecht für 1.050.000 DM, die sie vereinnahmte bis auf 114.080 DM, welche der Ablösung von Grundpfandrechten dienten, die von der Stiefmutter der Klägerin aufgenommene Darlehen gesichert hatten. – Im Schreiben vom 10. Februar 1994 an die Klägerin wie deren Stiefmutter vertrat der Beklagte die Ansicht, die Ausschlagung habe das Nachvermächtnis nicht erfasst; die Folgen daraus regelten beide am besten ohne ihn im gegenseitigen Einvernehmen.
Die Klägerin hat Feststellung begehrt, dass der Beklagte ihr den möglichen Schaden aus seinem Unterlassen, für die Anlage des Verkaufserlöses in festverzinslichen Wertpapieren zu sorgen, zu ersetzen hat. – Der Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Die Parteien haben entgegengesetzte Ansichten v...