Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Annahme eines gestellten Unfalls.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 30.04.2003; Aktenzeichen 3 O 325/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das am 30.4.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer: 7.286,58 Euro.

 

Gründe

Die Berufung ist begründet.

I. Entgegen der Auffassung des LG stehen dem Kläger aus dem behaupteten Verkehrsunfall vom 29.3.2002 keine Schadensersatzansprüche zu. Das erstinstanzliche Urteil beruht auf einer unzutreffenden Würdigung der Gesamtumstände des Falls sowie einem verfahrensfehlerhaften Übergehen des Antrags der Beklagten zu 2) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Kompatibilität zwischen Unfallhergang und Schäden. Den durch das Privatgutachten des Dipl.-Ing. G. gestützten Behauptungen der Beklagten zu 2) zur fehlenden Kompatibilität hätte schon das LG nachgehen müssen, auch wenn die Schäden an dem gegnerischen Fahrzeug nicht dokumentiert waren. Zur Klärung der entscheidungserheblichen Frage, ob die Beschädigungen an dem Fahrzeug des Klägers nach dessen eigener Unfalldarstellung aus dem Unfall resultieren können, brauchte man das Schädigerfahrzeug keineswegs. Im Übrigen kann das Fehlen des Schädigerfahrzeugs bzw. dokumentierter Befunde darüber schon deshalb nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) gehen, weil die damit verbundene Beweisnot der Versicherung gerade typisch für fingierte Unfälle ist.

Der Senat ist aufgrund der Schäden an dem Pkw Audi des Klägers, des persönlichen Eindrucks der Parteien im Verhandlungstermin am 18.11.2003 und einer Vielzahl von Indizien davon überzeugt, dass die Unfalldarstellung des Klägers nicht zutrifft – vielmehr hat es diesen Unfall überhaupt nicht gegeben oder er war zwischen den Beteiligten abgesprochen. Im Einzelnen:

1. Die fotografisch dokumentierten Beschädigungen (s. Bl. 16, 18 und 29 ff. des Gutachtens M. vom 23.10.2003) an der rechten Seite des Pkw Audi können nicht aus dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang herrühren. Zu erkennen sind einerseits stumpfe, punktuelle Schäden und andererseits Streifschäden mit unterschiedlichen Streifbildern. Die unterschiedlichen Schadensarten sind nur durch eine entsprechende Anzahl von Anstößen zu erklären, die punktuellen Schäden zudem nur durch einen Anstoß gegen das stehende Fahrzeug. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen M. im schriftlichen Gutachten vom 23.10.2003 und im Verhandlungstermin am 18.11.2003 (nicht protokolliert), die denen des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. G. im Gutachten vom 19.8.2002 (Bl. 38 ff. d.A.) entsprechen.

Ein Anspruch des Klägers, die Ausführungen des Sachverständigen M. noch durch einen Privatsachverständigen überprüfen zu lassen, besteht nicht. Dabei kann offen bleiben, ob dem Kläger, der das Gutachten am 31.10.2003, also gut zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin, zu Händen seines Prozessbevollmächtigten erhalten hat, eine angemessene Zeit (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO) zur Verfügung stand, auch mit Hilfe eines Privatsachverständigen Stellung zu nehmen. Denn ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer weiteren Klärung des technischen Sachverhalts ist nicht ersichtlich, weil es zur Überprüfung der vorstehenden Erkenntnisse der besonderen Fachkunde eines Sachverständigen nicht bedarf. Die verschiedenen Schadensbilder sind auf den Fotos auch für den Laien deutlich erkennbar. Die Richtigkeit der Schlussfolgerungen des Sachverständigen, dass derart verschiedene Schadensbilder nicht durch einen einzigen, sondern nur durch mehrere Anstöße entstehen können, drängt sich als eine Frage der Logik bereits dem technischen Laien auf und ist dem Senat zudem durch seine Spezialzuständigkeit für Straßenverkehrsunfälle aus einer Vielzahl anderer Fälle bekannt. So hat der Kläger in seiner schriftlichen Stellungnahme zu dem Gutachten die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus den Schäden an seinem Fahrzeug auch überhaupt nicht angegriffen, sondern nur eingewandt, der Sachverständige gehe von unzutreffenden Angaben zu den Schäden an dem von der Beklagten zu 1) gefahrenen Pkw VW Polo aus. Dieser Einwand ist aber unerheblich, wie i.Ü. auch der Sachverständige bestätigt hat. Auch im Verhandlungstermin hat der Kläger keinerlei konkrete Einwendungen vorgetragen. Auf diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass der Antrag auf Bewilligung einer weiteren Stellungnahmefrist nur auf eine bloße Verzögerung des Rechtsstreits gerichtet sein kann.

2. Der Senat hat auch im Hinblick auf das Auftreten des Klägers und der Beklagten zu 1) im Verhandlungstermin den Eindruck gewonnen, dass die schriftsätzliche Unfallschilderung des Klägers nicht der Wahrheit entspricht.

So hat die Beklagte zu...

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