Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Hemmung der Verjährung, die durch eine Anspruchsanmeldung beim Versicherer herbeigeführt wird, wird erst durch eine konkrete, eindeutige und umfassende Entscheidung des Versicherers beseitigt. Das Quotenvorrecht unterliegt nicht der Dispositionsmaxime der Parteien.
Leitsatz (amtlich)
Gem. § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG in der Fassung vom 26.11.2001 muss die schriftliche Entscheidung des Versicherers eindeutig, erschöpfend und umfassend sein, um die durch die Anspruchsanmeldung geschaffene Verjährungshemmung zu beseitigen. Eine Erklärung des Versicherers, in der dieser lediglich auf eine bestimmte Mithaftungsquote des Geschädigten hinweist, erfüllt diese Voraussetzung nicht, selbst wenn in der Folgezeit einvernehmlich zwischen den Parteien entsprechend dieser Quote reguliert wurde.
Soweit der Dienstherr aus Anlass eines Schadensereignisses an einen Beamten Leistungen erbracht hat und diese aus übergegangenem Recht gegenüber dem Gegner geltend machen möchte, unterliegt die Anwendung des Quotenvorrechts nicht der Dispositionsfreiheit des Dienstherrn. Denn die Aktivlegitimation des Dienstherrn besteht nur für die nicht vom Quotenvorrecht betroffenen Beträge.
Normenkette
NBG § 95; PflVG § 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 3 O 209/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.8.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover, Az. 3 O 209/18, teilweise abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.052,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.09.2018 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer und zukünftiger Leistungen der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 29.9.2003 zum Nachteil der Bediensteten der Klägerin, Frau S. M., geb. am ...1968, im Rahmen der Übergangsfähigkeit nach Anspruchsübergang gemäß § 95 NBG a.F. unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 2/3 zu 1/3 zum Nachteil der Beklagten verpflichtet ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.116,54 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden Klägerin) verlangt im Wege des gesetzlichen Anspruchsüberganges von der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) die Zahlung von Schadensersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch in Zukunft entsprechend ihrer Mitverschuldensquote von 2/3 für Leistungen der Klägerin aufkommt.
Die Klägerin ist das Land Niedersachsen. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs, dessen Fahrerin am 29.9.2003 die als Beamtin bei der Klägerin beschäftigte Zeugin M. schwer verletzte. Die Zeugin M. befuhr mit einem Fahrrad den Radweg auf der B.straße in H.-K. in Richtung K.platz auf der falschen Seite, als sie von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug, das aus der untergeordneten E.straße kommend auf die B.straße abbiegen wollte, erfasst wurde. Der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Mit Schreiben vom 13.11.2003 (Anlage MW 1) meldete die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten an. Mit Schreiben vom 20.1.2004 erklärte die Beklagte, dass der Zeugin M. eine Mithaftungsquote von 1/3 anzurechnen sei:
"Wir weisen auch darauf hin, dass Frau M. eine Mithaftung von 1/3 zu vertreten hat."
Mit Schreiben vom 25.3.2004 erklärte sich die Klägerin mit einer Regulierung in Höhe von 2/3 einverstanden. Seitdem ist die Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Beklagten zwischen den Parteien unstreitig.
Seit dem Unfall im Jahr 2003 regulierte die Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien unstreitigen Haftungsquote den von der Klägerin geltend gemachten Schaden. Seit August 2009 gewährt die Klägerin der Zeugin M. Zulagen zu ihrem Einkommen.
Auf Wunsch der Klägerin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 25.2.2008 (Anlage MW 2) einen zeitlich befristeten Verjährungsverzicht.
"...wunschgemäß verzichten wir - im Rahmen der Haftung von 2/3 - vorerst bis 31.12.2018 auf die Einrede der Verjährung.
Dieser Verjährungsverzicht wird unter der Voraussetzung erklärt, dass wir derzeit die Einrede der Verjährung noch nicht erheben können; er geht nicht über die Wirkung eines Feststellungsurteils hinaus."
Mit Schreiben vom 3.7.2017 (Anlage MW 3) machte die Klägerin bei der Beklagten die seit 2009 an die Zeugin gezahlten Zulagen unter Berücksichtigung der Haftungsquote geltend. Diese erhielt die Zeugin, weil sie nicht mehr - wie vor dem Unfall - die volle Stundenzahl als Förderschullehrerin arbeitete. Die Klägerin berechnete die gezahlten Zulage...